[BSS] Baltisaksa sõnastik

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Aal der
‣ Varianten: Ahl
'anguilla vulgaris' de Aal; et angerjas; lv zutis
Beym Donner-Wetter lassen sich leichtlich fangen Ahl / Karpen / Forellen
Allgemein verbreitet ist die Annahme, daß der Ahl nachts Erbsenbeete besucht
Ahl sind ungesunde Fische / denen / die einen schwachen Magen / den Stein und die Gicht haben
Man sol ihn wohl saltzen / Ingwer und Pfeffer nicht vergessen
Wilt du essen vom Ahl / Laß bleiben Käß das Mahl / Sonst die Stimme leidet Noht / Dir zu Schaden und Spott. Wo du wilt sicher seyn / Trinck offt was geschenckt ein
Wie ein Aal drückt Reinecke sich hinein einer Bodenwelle dem Walde zu
Da wird er […] sehr verlegen, wickelt sich aber so glatt wie ein Aal, will mir einreden…

DAZU:
(glatt) wie ein Aal (id) 'körperlich und geistig gewandt'
Aal aß er, Supp´ aß sie [Satz zum Schnellsprechen, angeblich französisch]
grüner Aal 'nicht geräucherter Aal' [veraltet]

QUELLEN

Masing DBWB, 3
Aal, m. (āl) anguilla vulgaris. Beym Donner-Wetter lassen sich leichtlich fangen Ahl / Karpen / Forellen. Sal. Gub. 110 (1688). Allgemein verbreitet ist die Annahme, daß der A. nachts Erbsenbeete besucht. Ahl sind ungesunde Fische / denen / die einen schwachen Magen / den Stein und die Gicht haben. Man sol ihn wohl saltzen / Ingwer und Pfeffer nicht vergessen…. Wilt du essen vom Ahl / Laß bleiben Käß das Mahl / Sonst die Stimme leidet Noht / Dir zu Schaden und Spott. Wo du wilt sicher seyn / Trinck offt was geschenckt ein. Sal.Gub. 111/112. Gegenwärtig übliche Zubereitungsarten: der A. wird gekocht, gebraten, geräuchert, auf Kohlen geröstet und mariniert, in Gelee gekocht. Die Bezeichnung grüner A. ist heute nicht mehr üblich. _ In Vergleichen: (glatt) wie ein A. körperlich und geistig gewandt. Wie ein Aal drückt Reinecke sich hinein einer Bodenwelle dem Walde zu. Th. Heinr. 69. Da wird er ... sehr verlegen, wickelt sich aber so glatt wie ein Aal, will mir einreden… Pantenius, Wilh. Wolfsch. 113. _ Satz zum Schnellsprechen, angeblich französisch: Aal aß er, Supp´aß sie.

Aasvolk das
‣ Varianten: Asvolk
Schimpfw. de Pöbel; et pööbel, rahvarämps; lurjuste kamp
Echtes Asvolk!
So ein Asvolk!
‣ Synonyme: Aaspack
vgl Aaskerl, Aaskröte, Aasluder, Aastier

QUELLEN

Gutzeit 1859, 52
Asvolk. Echtes Asvolk! So ein Asvolk!

Masing DBWB, 9
Aasvolk, n. (ā́sfolk) Gesindel, Pack. Auf der Straße ist heute nur besoffenes Aasvolk zu sehen.

Abend der
1. 'Tageszeit zwischen 7 und 11 Uhr abends' de Abend; et õhtu
Um 8 wurde zu Abend gegessen
n'Abend
Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben (id)
Noch ist nicht aller Tage Abend (id)
Je später der A., je lieber die Gäste 'Wenn man einen Gast zu längerem Bleiben nötigen will'
Den Vogel, der zu früh singt, frißt am Abend die Katze
Erscheinet er … gegen Abend / so hofft man wenig Regen / oder gut Wetter [Wetterregel über Regenbogen]
Am Abend schaut er nach dem Himmelskahn aus 'er bebachtet die Formation der Wolken, ob sie von Ost nach West oder von Nord nach Süd liegen; im letzteren Falle ist gutes Wetter zu erwarten, während im ersteren schlechtes droht'
Ist im Winter der Himmel am Abend rot, so gibt es am nächsten Tage starken Frost.Ohne Wolken rot untergehende Sonne läßt auf schönes Wetter am nächsten Tage schließen
Wenn am Abend das Gras trocken ist, läßt das für den folgenden Tag Regen erwarten; viel Tau am Abend verheißt einen klaren Tag
Item / wen die Krähen ... auff den Abend groß Gerschrey machen … solches … bedeut … Regen. Sal. Gub. 74
Wenn die Mükken und Fledermäuse auffn Abend umherflattern / das bedeut gut Wetter
Geht beim Heimziehen der Kühe am Abend eine rote Kuh an der Spitze der Herde, so ist am folgenden Tage schönes Wetter zu erwarten; geht eine schwarze Kuh voran, so muß man auf Regen gefaßt sein
An dem Abend, an dem man den neuen Mond zum ersten mal sieht, wird man Glück haben [Volksglauben, Riga]
Wenn der erste Schnee des Jahres am Abend oder in der Nacht fällt, werden viele alte Leute im Lauf des Jahres sterben [Volksglauben, Riga]
Zeigt sich abends eine Eule im Hof, so ist in demselben Jahr ein Todesfall im Hause zu erwarten [Volksglauben, Riga]
Man soll am Abend keinen Brotlaib anschneiden: es bringt keinen Segen [Volksglauben, Riga]
Wenn man am Morgen singt, bekommt man am Abend ein Geschenk
Wer am Abend pfeift, den quält der Teufel in der Nacht (id)
Wer am Abend mit den Füßen schaukelt, der schaukelt den Teufel
Wer am Abend die Fenster wischt, der schläft in der Nacht unruhig
Wer am Abend das Zimmer (über die Schwelle hinaus) fegt, der fegt den Segen (das Glück) mit hinaus 'Wenn man am Abend das Zimmer nicht aufgeräumt hat, dann stoßen sich nachts die Engel an den unordentlich umherstehenden Gegenständen und kommen nie wieder'
Wenn Kinder am Abend mit Licht und Feuer spielen, werden sie nachts das Bett nässen
Spinne am Morgen – Kummer (Unglück) und Sorgen; Spinne am Abend – erquickend und labend
2. 'Abendessen'
Kommst du heute zum Abend?
3. 'In Zusammensetzungen: gesellige regelmäßige Veranstaltung im Hause, oft ohne Rücksicht auf die Tageszeit' de Abendgesellschaft, Kränzchen; et õhtu (õhtune koosviibimine (peo-, muusika- jne))
Der heilige Abend, Weihnachtabend
auf einen Abend gehen, gebeten sein 'Abendgesellschaft, soirée'
Leseabende, Missionsabende, Tanzabende, Singabende, Quartettabende, Bibelabende, Pastoralabende, Musikabende, französische Abende, englische Abende, italienische Abende, Augustiner-Abende
4. 'Vorabend eines Festes'
heiliger Abend 'Weihnachtsabend'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 4
Abend Der heilige Abend, Weihnachtabend. Auf einen A. gehen, gebeten sein, Abendgesellschaft, soirée. Gew.

Sallmann 1880, 114
Abend, nicht Kränzchen, heißen die geselligen regelmäßigen Vereinigungen im Hause; es gibt ihrer, dem nordischen häuslichen Sinn entsprechend, eine ganze Menge: Leseabende, Missionsabende, Tanzabende, Singabende, Quartettabende, Bibelabende, Pastoralabende, Musikabende, französische Abende, englische Abende, italienische Abende, Augustiner-Abende

Gutzeit 1886, 5
Abend! Statt: guten Abend! sagt man oft: n'Abend (spr. Nabend).

Masing DBWB, 35ff.
Abend, m. (ábənt, āmt) 1. Tageszeit a) sieben Uhr abends bis elf Uhr abends._ Um 8 wurde zu Abend gegessen. b) Grußformel: guten Abend, ´n Abend! c) Redensarten: Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben._ Noch ist nicht aller Tage A._ Wenn man einen Gast zu längerem Bleiben nötigen will: Je später der A., je lieber die Gäste. _ Den Vogel, der zu früh singt, frißt am Abend die Katze. _ d) Wetterregeln: Item? / wenn aus der auff- oder niedergehenden Sonnen lange Strahlen steigen / ob gleich die Sonne sonst klar ist: Item / wen die Sonne im Untergang sich in eine Wolcke verkreucht / solches alles bedeutet Regen. Wenn die Sonne liecht-rohten Wolcken untergeht / das bedeut Wind. Wenn die Sonne schön helleuchtend untergehet / das bedeut gut Wetter. Sal. Gub. 63. Regenbogen … Erscheinet er … gegen Abend / so hofft man wenig Regen / oder gut Wetter. Ebenda 65/6. Am Abend schaut er nach dem Himmelskahn aus, d.h. er bebachtet die Formation der Wolken, ob sie von Ost nach West oder von Nord nach Süd liegen; im letzteren Falle ist gutes Wetter zu erwarten, während im ersteren schlechtes droht. Grosb. Meschw. 76. Wenn beim Sonnenuntergang der Himmel blutrot gefärbt ist, sagt man für den nächsten Tag Wind (Sturm) voraus. Wenn die Sonne wie ein roter Ball ohne Strahlen im Dunst untergeht, ist mit großer Hitze zu rechnen. Wenn die Sonne in Wolken untergeht, ist es ein Zeichen, daß es am nächsten Tag regnen wird. Geht die Sonne gelb, ohne Strahlen unter, so ist Kälte zu erwarten. Ist im Winter der Himmel am Abend rot, so gibt es am nächsten Tage starken Frost. Ohne Wolken rot untergehende Sonne läßt auf schönes Wetter am nächsten Tage schließen. _ Wenn am Abend das Gras trocken ist, läßt das für den folgenden Tag Regen erwarten; viel Tau am Abend verheißt einen klaren Tag. Durften abends Kräuter und Blumen besonders stark, so gibts am nächsten Tag Regen. _Item / wen die Krähen ... auff den Abend groß Gerschrey machen … solches … bedeut … Regen. Sal. Gub. 74. Wenn die Mükken und Fledermäuse auffn Abend umherflattern / das bedeut gut Wetter. Ebenda 75. Wenn abends die Mücken besonders stark stechen, regnet es am folgenden Tage; wenn sie abends tanzen, so wird am nächsten Tage das Wetter schön. _ Geht beim Heimziehen der Kühe am Abend eine rote Kuh an der Spitze der Herde, so ist am folgenden Tage schönes Wetter zu erwarten; geht eine schwarze Kuh voran, so muß man auf Regen gefaßt sein. _ e) Volksglaube: An dem Abend, an dem man den neuen Mond zum ersten mal sieht, wird man Glück haben. Riga. : Wenn der erste Schnee des Jahres am Abend oder in der Nacht fällt, werden viele alte Leute im Lauf des Jahres sterben. Riga. Zeigt sich abends eine Eule im Hof, so ist in demselben Jahr ein Todesfall im Hause zu erwarten. _ Man soll am Abend keinen Brotlaib anschneiden: es bringt keinen Segen. Riga u. Um[gebun]g. Wenn man am Morgen singt, bekommt man am Abend ein Geschenk. Dpa. Man soll am Abend im Zimmer nicht pfeifen, sonst ruft man den Teufel herbei (Wer am Abend pfeift, den quält der Teufel in der Nacht. ) Riga. Wer am Abend mit den Füßen schaukelt, der schaukelt den Teufel. Riga. Wer am Abend die Fenster wischt, der schläft in der Nacht unruhig. Riga. Wer am Abend das Zimmer (über die Schwelle hinaus) fegt, der fegt den Segen (das Glück) mit hinaus. Riga. Wenn man am Abend das Zimmer nicht aufgeräumt hat, dann stoßen sich nachts die Engel an den unordentlich umherstehenden Gegenständen und kommen nie wieder. Riga. Wenn Kinder am Abend mit Licht und Feuer spielen, werden sie nachts das Bett nässen. Allg. Spinne am Morgen – Kummer (Unglück) und Sorgen; Spinne am Abend – erquickend und labend. Allg.(mitunter auch: Spinne am Mittag – Glück am Drittag). _ 2. Abendessen. Kommst du heute zum Abend? _ 3. In Zusammensetzungen zur Bezeichnung regelmäßig stattfindender geselliger Veranstaltungen, oft ohne Rücksicht auf die Tageszeit: Leseabend, Singabend, Kartenabend usw. _ 4. heiliger A. Weihnachtsabend; (seltener) Vorabend eines anderen kirchlichen Festes; Vorabend des Kommerstages. Dpt. stud.

Abendmahl das
'das kirchliche Sakrament' de Abendmahl; et armulaud, kommunioon
zum Abendmahl gehen
er ist heute zum Abendmahl gewesen
einem Kranken das Abendmahl verreichen oder reichen
das Abendmahl nemen
Abendmahl austeilen
‣ Synonyme: Abendmahlstisch

DAZU:
Geht ein Ehepaar zum Abendmahl, und es drängt sich am Altar jemand zwischen die beiden, so stirbt einer von ihnen bald [Volksglauben, Riga]
wir waren zum (im) zweiten Abendmahlstisch 'wir waren in der zweiten Gruppe (Schicht) der Kommunikanten'

QUELLEN

Gutzeit 1886, 5
Abendmahl Zum Abendmahl gehen; er ist heute zum Abendmahl gewesen; einem Kranken das Abendmahl verreichen oder reichen; das Abendmahl nemen

Masing DBWB, 38
Abendmahl, n. (á̅(b)mtmāl), das kirchl. Sakrament. Zum A. gehen; er ist heute zum A. gewesen; einem Kranken das A. † verreichen, reichen; das A. nehmen. *... in der Kirch, wo Bienemann zuletzt A. austheilte. Pauls Tageb. 10. Gtz. N 1886, 5. _ Volksglaube: Geht ein Ehepaar zum A., und es drängt sich am Altar jemand zwischen die beiden, so stirbt einer von ihnen bald. Riga.

Masing DBWB, 38
Abendmahlstisch, m (á̅(b)mtmālstiš): wir waren zum (im) zweiten A.; wir waren in der zweiten Gruppe (Schicht) der Kommunikanten. Dpt.

abfellen V [h]
‣ Varianten: abfillen, abfüllen
Vt de abhäuten (ein totes Tier); et nülgima
Von dem gestorbenen Viehe werden keine Heute berechnet, weiln man sie nicht hat abfullen laszen

QUELLEN

Bergmann 1785, 1

Gutzeit 1859, 5
abfellen, ein todtes Thier abhäuten.

Gutzeit 1859, 5
abfillen ein todtes Thier, abhäuten. Schon Bg. und Hup. (Id. 2)

Sallmann 1880, 79
abfellen abhäuten

Masing DBWB, 44
abfellen, sw. (ápfel̅ən) ein Tier abhäuten.

Masing DBWB, 45
abfi(ü)llen, sw. (ápfilən) ein Tier abhäuten. Bergm. 1. Von dem gestorbenen Viehe werden keine Heute berechnet, weiln man sie nicht hat abfullen laszen. {Rechenschaftsbericht d. Amtmannes v. ...nnenhof ?? 1677/8} V.B. Landv. III. 130 (1677/8).

abflauen V [h/s]
Vi Seem. de nachlassen (vom Winde); et vaibuma, raugema
Heute, bei abflauendem Winde ist wechselnde Himmelsansicht

QUELLEN

Gutzeit 1886
abflauen vom Winde, nachlassen. Heute, bei abflauendem Winde, 5° Wärme, 391. 1884. 235. Seemannsausdruck.

Masing DBWB, 46
abflauen, sw. (ápflōən) nachlassen (vom Winde). Heute bei abflauendem Winde ist wechselnde Himmelsansicht. Rig. B{u}HZ{tg}. 1884, № 235, S. 994.

abfragen V [h]
1. Vt de abfordern; et küsima, nõudma
man muss der Magd die Schlüssel abfragen
so sollen die Schaffer, wenn es Russen, Liefländer, Ehstländer … sind, … dem Russen seinen Paß, der letztern aber den Erlaubnißschein ihrer Herrschaft abfragen
2. Vt 'Kenntnisse überprüfen' de abfragen; et küsima, kontrollima
einen Schüler abfragen
Der Lehrer hat ihn die Vokabeln abgefragt

QUELLEN

Gutzeit 1859, 6
abfragen 1) abfodern. Man muss der Magd die Schlüssel abf., d.h. nicht fragen, wo sie sind, sondern abfordern. Sehr gew. und schon älterer Ausdruck. Die Schaffer sollen dem Dienstboten den Pass abfragen, 212. 2; 2) einen Schüler, überhören.

Sallmann 1880, 79
abfragen etwas, abfordern, z.B. der Magd die Schlüßel abfragen

Masing DBWB, 47
abfragen, sw. (ápfrāʒən) 1. die Kunst a, s. Kunst. _ 2. einen Schüler a., überhören. Gtz. 1, 6. Heute gew. mit dem Akk. der (Person und der) Sache: Der Lehrer hat ihn die Vokabeln abgefragt. _ 3. abfordern. … so sollen die Schaffer, wenn es Russen, Liefländer, Ehstländer … sind, … dem Russen seinen Paß, der letztern aber den Erlaubnißschein ihrer Herrschaft abfragen. Jnstr. f. d. DS. 1780, 5. Man muß der Magd die Schlüssel a. Gtz. i, 6. Sallm. 79.

abgeredetermaßen Adv
‣ Varianten: abgeredeter Maßen
de der Verabredung gemäß; et kokkuleppe kohaselt
siehe auch abreden

QUELLEN

Gutzeit 1886, 7
abgeredeter Maßen, der Verabredung gemäß, Stender und heute.

Masing DBWB, 55
abgeredetermaßen, adv. (ápjərēdətərmāsən), s. abreden.

abklappen V [h]
1. Vt 'das unbefestigte Ende eines Gegenstandes senken' et ära käänama
Ich klappe … die Läufe ab, um eine neue Patrone in den abgeschlossenen Büchsenlauf zu schieben
Gewöhnlich trägt er […] abgeklappte Stiefeln, Stulpenstiefel
2. Vt de ertappen, erwischen; et tabama, kinni püüdma
Denkt euch, heute habe ich Alexander abgeklappt

QUELLEN

Munier-Wroblewski 1927-1931, 79
Das war doch ge... eine Burleske im Aff... abgeklappt ??

Masing DBWB, 66
abklappen, sw. (ápklap̄ən) 1. das unbefestigte Ende eines Gegenstandes senken. Ich klappe […] die Läufe ab, um eine neue Patrone in den abgeschlossenen Büchsnelauf zu schieben. Th. Heinr. 75. Gewöhnlich trägt er […] abgeklappte Stiefeln, Stulpenstiefel. Rig. anz. 1797, 192. _ 2. ┌ klappen (s.d.), ertappen. Denkt euch, heute habe ich Alexander abgeklappt. AVolck VZ163.

Abkochlis das
‣ Belege: Livland (Mitte des 19. Jh.)
'der zweite Aufguß auf den einmal bereits ausgekochten Kaffee'

QUELLEN

Masing DBWB, 73f.
Abkochlis, n. (ápkoxlis) A. … ist im lettischen Teile Livlands der allgemein bekannte terminus technicus für den Aufguß auf den einmal bereits ausgekochten Kaffee. DMSchrfR 1915, Heft ½, 56. A. nannte man bis in die Mitte des 19. Jhs. im lett. Teil Livlands den verdünnten zweiten Kaffeeaufguß. Heute trifft man diesen Ausdruck nur noch in alten Briefschaften. E. Petersen.

ablassen V [h]
1. Vt de fortlassen, fortgehen lassen
Die Wageknechte Essens halber ablassen
2. Vt 'auf kurze Zeit beurlauben' de freigeben (jedoch nicht gleichbedeutend mit beurlauben. Das Ablassen geschieht aus eigener Machtvollkommenheit der Vorgesetzten, das Beurlauben durch Vorstellung an den Minister)
3. Vt de entlassen
eine Magd, einen Lehrburschen
Nachdem diese Versammlung von Rathe abgelassen
vgl abdürfen, abkönnen, abmögen, abmüssen, abreden, absein, absollen, abwerden, abwollen1, abwünschen, siehe auch ab-2

QUELLEN

Gutzeit 1859, 11
ablassen 1) fortlassen, fortgehen lassen. Die Wageknechte Essens halber ablassen, 140. 2) auf kurze Zeit beurlauben, jedoch nicht gleichbed. mit beurlauben. Das Ablassen geschieht aus eigener Machtvollkommenheit der Vorgesetzten, das Beurlauben durch Vorstellung an den Minister. 3) entlassen, eine Magd, einen Lehrburschen. 4) Beamte, entlassen aus dem Dienste. Früher oft. z.B. Von seinem Besuchersdienste ablassen. 172. 1786. 225; Allergnädigst abgelassen worden, 172. 1790. 130. Gegenwärtig lässt man Dienstleute ab, und entlässt Beamte. - Zuweilen wurde noch ein überflüssiges „von sich“ hinzugefügt. z.B. eine Magd von sich ablassen, 172, 1793. 262. - 5) einen Eisrücken, abstoßen. Die längs den Häusern sich bildenden Eisrücken sollen abgelassen werden. Dieser Ausdruck kommt schon in einer polizeilichen Bekanntmachung in den rig. Anz. von 1790 vor, und wird darauf jährlich wiederholt, selbst noch im J. 1821. Nach diesem J. steht dafür: abgestoßen. 6) den Hahn der Flinte.

Hoheisel 1860, 24
ablassen st. entlassen, z.B. Sie hat eine Magd abgelassen.

Sallmann 1880, 79
ablassen einen Dienstboten entlaßen; eine Waare, zu einem bestimmten Preis abgeben; einen Eisenbahnzug, abgehen lassen; zur Zahlung anweisen.
ablassen (elliptisch: bisheriger Dienst).

Sallmann 1880, 80
In zahlreichen Ausdrücken weist ab elliptisch auf die innegehabte Dienststelle hin, so in den bei Dienstboten üblichen Wendungen:
abdürfen, -können, -laßen, mögen, -müßen, -sein, -sollen, -werden, -wollen, sich -wünschen, wo jedesmal zu ergänzen ist: von der bisher innegehabten Stelle, aus dem Dienst; so auch abreden c. acc, einen Dienstboten, bereden, daß er seine Stelle verlaße.

Gutzeit 1886, 10
ablassen 1) entlassen. Nachdem diese Versammlung von Rathe abgelassen, 422. 269. - 2) einen Offizier (zu einem Geschäfte) ablassen, 174. 1851. 217. J. 1720; Soldaten zur Arbeit. Die Zahl der zum Baden abgelassenen Soldaten, 144, gehen lassen, erlauben zu. Einen Eisenbahnzug. Ein Extrazug wurde nach Oger abgelassen, abgefertigt, abgeben lassen. - 7) im oder vom verlangten Preise, denselben ermäßigen. Lassen Sie nichts ab? - 6) Die Säcke Roggen von den Böden abzulassen, 303, herunterlassen; halber Wagen, der hinten abzulassen ist, 172. 1790. 525; mit abgelassenen Hähnen (der Flinten), 332, I. 3. - 8) erlassen, ergehen lassen. Mittelst abgelassenen Rescriptes von 5. Febr., 356. - 9) erteilen, auszalen. Aus dem Reichsschatze abgelassene Gelder: zur Zahlung anweisen, nach Sallmann's Erklärung (390c. 79).

Masing DBWB, 83
ablassen, st. (áplas̅ən) 1. hinab befördern. … die Säcke zuzubinden, von den Böden abzulassen. … Rig. Mess. Taxa 1799. _ 2. † eine Unebenheit a., abtragen. … die längs den Häusern sich oft befindenden Eisrücken abgelassen … Pern. wöch. Nachr. 1816, 136. Zu den Rig. anz. von 1790 bis 1821, später abstoßen: Gtz. I, 10. _3. einen Eisen bahnzug. a., abfahren lassen. Gtz. N 1886, 10. Salm. 79. _ 4. Geld. a., zur Zahlung anweisen. Aus dem Reichsschatze abgelassene Gelder. Gtz. N886, 10. Sallm. 79. _ 5. eine Ware a., zu einem bestimmten Preis abgeben. Sallm. 79. _ 6. ein Rezept a., dem Besteller einhändigen. Ist das Rezept für Herrn N. schon abgelassen? Apoth. _ 8. den Preis herabsetzen. Lassen Sie nichts ab? Gtz. N 1886, 10. _ 9. beurlauben. Es ist … ein Erbkerl … von seiner Herrschaft auf einige Wochen zur Arbeit nach Riga abgelassen worden … Rig. Anz. 1770, 151. … alle auf Urlaub abgelassene … Ober-Offiziere … eb. da. 1794, 63. …daß ich meinen Erbkerl Jakob … von mir auf grwisse Zeit abgelassen habe … Pern. wöch. Nachr. 1817, 100. _ 10. entlassen. Da der Herr … Graf von Browne seinen Koch … Anthon Holzhausen abgelassen, … eb. da 1798, 41. (daß er seinen bisherigen Handlungsburschen … seines Handlungsdienstes gänzlich entlassen. eb. da.) … Karl, …, … zu Georgi laß ich dir ab! Rig. Rdsch. 1934, № 268. _ 11. part. abgelassen, müde, ermattet. Kurl. _ 4, 5, 6, 9 u. 10. sind Übers.lw. a. d. Russ. otpuskátj
¤ ablassen entlassen? „So balde ein solcher Geselle oder Junge aus seinem Dienst abgelaßen wird, …” (Anton Buchholtz, Geschichte der Juden in Riga. Riga, 1899, 134. [1788]).
¤ ablassen „Mit Trauerflorumhüllten Jagdhörnern und abgelassenen Hähnen sehen wir uns heute in einem Zirkel versammelt, der sonst nur Frohsinn … umher verbreitet …” (Trauerrede von Joh. H. Baumann zur Gedächtnisfeier für C.G.Hackmann 21.II.1804.) R. Rdsch. 1930 (Grosberg) Datum?
¤ ablassen „Da er beim ersten Male seine Löffeliene in Verdacht hatte, ließ er sie ab.” (J. kolbe 3.V.1837).
¤ ablassen „Entläßt Jemand … Rekruten, mit oder ohne Bürgschaft, nach Hause; so ist er, … , zu betrofen, … Entläuft von den Abgelassenen Einer, …” (Buddenbr. Landr. II, I, 1177 [1766]).
¤ ablassen „Hätte Jemand weniger als acht Jahre gedienet, … : so ist er nicht abzulassen.” (Buddenbr. II, 2, 1172 [1771]). „Wenn Leute oder Bauern von ihren Herren entlaufen, sich falsche Ablassungsscheine oder Pässe schreiben, …” (ibid. 1173 [1771]).

abmurksen V [h]
{ndd. afmucken}
‣ Belege: Riga, Mitau
1. Vt ugs. 'meuchlings töten' de erwürgen, den Hals abschneiden
vgl niederpaffen
2. Vt 'zu Tode quälen'
Daß ein richtiger Jäger sein Wild schießt und nicht kläglich vom Hunde abmurksen läßt
Die Pokutschen, mit denen man Wölfe hetzte, sind heute spurlos verschwunden, ebenso die „Winde“, wie man die Windhunde kurz nannte. Drei Winde gingen auf eine „Schnur“ oder „Schmitse“. Die besten Läufer unter den Winden wurden „Spitzköpfe“ genannt, man bezahlte einen geaichten Spitzkopf mit einhundert Rubeln, natürlich „Silbermünze“. Wenn die Spitzköpfe nach so und sovielen „Schwunken“ den Hasen abgemurkst hatten, dann konnte man „Hervat“ blasen und „einen vor die Brust“ nehmen, als Anzahlung sozusagen, denn das richtige vor die Brust nehmen geschah später, beim Essen und beim „Partiechen“.
3. Vr 'sich ohne rechten Erfolg abmühen'
4. Vt selten. 'in grossen, unförmlichen Stücken abschneiden'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 12
abmurksen Erinnert an abmutzen und abmurzeln

Sallmann 1880, 47, 77
abmurksen in großen, unförmlichen Stücken abschneiden; meuchlings tödten.
abmurksen ungeschickt abschneiden; meuchlings tödten

Gutzeit 1886, 11
abmurksen Die ausländischen Zeitungen (vgl. rig. Ztg. 1865. 263) sprachen von dem „Niederpaffen“ und „Abmurksen“ der gefangenen Schwarzen. In 479: afmurksen tödten, mit dem Nebenbegriff des Abschlachtens. - In 390c. 28 auch: In grossen, unförmlichen Stücken abschneiden. In Livland kaum!
390c. 77: ungeschickt abschneiden

Masing DBWB, 92
abmurksen, sw. (ápmurksən) 1. † ungeschickt, in großen unförmlichen Stücken abschneiden. Sallm. 28, 77. _ 2. zu Tode quälen. Daß ein richtiger Jäger sein Wild schießt und nicht kläglich vom Hunde a. läßt … Stillm. 18. _ 3. umbringen (meist durch Erwürgen oder Erstechen). _ 4. sich a., sich ohne rechten Erfolg abmühen.

Grosberg 1931
Die Pokutschen, mit denen man Wölfe hetzte, sind heute spurlos verschwunden, ebenso die „Winde“, wie man die Windhunde kurz nannte. Drei Winde gingen auf eine „Schnur“ oder „Schmitse“. Die besten Läufer unter den Winden wurden „Spitzköpfe“ genannt, man bezahlte einen geaichten Spitzkopf mit einhundert Rubeln, natürlich „Silbermünze“. Wenn die Spitzköpfe nach so und sovielen „Schwunken“ den Hasen abgemurkst hatten, dann konnte man „Hervat“ blasen und „einen vor die Brust“ nehmen, als Anzahlung sozusagen, denn das richtige vor die Brust nehmen geschah später, beim Essen und beim „Partiechen“.

Flügge-Kroenberg 1971, 11
abmurksen (afmurksen) Heimlich umbringen (bedeutet aber mit dem Vorwort „herum“ als Prefix: an einer Sache lange herumhantieren).

abnehmen V [h]
‣ Belege: Kurland, Livland, Riga
1. Vt de wegnehmen, konfiszieren; et ära võtma, konfiskeerima
…daß es … zween verdächtigen Juden ein Fuchspferd … abgenommen habe
2. Vr de abbrauchen; et võtma (sisse või ära)
Sie haben noch wenig abgenommen '(von der Medicin) eingenommen'
3. Vt 'durch Malerei, Photographie bildlich wiedergeben' de zeichnen; et üles võtma; kujutama
In Lebensgröße abnehmen, abgenommen
die Gegend ist von der Seite des Waldes abgenommen
er und seine Frau lassen sich abnehmen
er versteht nicht abzunehmen
sehr glücklich abgenommen sein (fast gleich: getroffen)
Ich will mein Bild abnehmen lassen 'mich malen oder photographiren lassen'
4. Vt 'eine Lieferung zustimmend übernehmen' de empfangen; et (vastu) võtma
Rekruten abnehmen
ein Haus abnehmen 'ein Haus, das im Bau fertig ist, empfangen'
bei einer Pferdeaushebung wurde der … Fuchswallach … von der Kommission „abgenommen”
eine Parade abnehmen
5. Vi de zielen; et sihtima, kirbule võtma
Beim Schießen muss man gut abnemen, um zu treffen
6. Vt de entwöhnen; et võõrutama
ein Kind abnehmen [gew., wie im Russischen]
7. Vi de abnehmen; et alla võtma (kaalus), kahanema
Ich habe entsetzlich abgenommen
ein so starkes Abnemen deutet auf ein schweres Leiden. [Dieses „Abnemen“ ohne Yusaty bezieht sich nur auf die körperliche Fülle, nicht z.B. auf die Schwächung des Körpers oder Geistes. Man spricht wie in Deutschland: seine Geisteskräfte nemen ab, aber nicht: er nimmt ab in Bezug auf die Geisteskraft).]
In solchen Gegenden aber, wo Kiefern und Grähnen rar, und dagegen gute Laubholz-Stämme an Ellern, Espen und Birken vorhanden sind, da sollen die ersten Sorten zu denen Hofes-Gebäuden geschonet, und zu denen Bauer-Gesindern keine andere als Laubholz-Balken angewiesen werden, wie dann selbige, wenn sie vom December bis zum Ende des Februar und zwar in abnehmenen (!) Mondlicht, gehauen, abgescheelet und gut getrocknet worden, um ganz unverwerfliches Bauholz abgeben
8. Vt de abräumen; et koristama
Hast du den Tisch noch immer nicht abgenommen?

QUELLEN

Gutzeit 1859, 13
abnehmen, 1) abbrauchen. Sie haben noch wenig abgenommen, d.h. (von der Medicin) eingenommen. 2) einen, etwas, zeichnen, durch Malerei, Photographie bildlich wiedergeben. In Lebensgröße abnehmen, abgenommen; die Gegend ist von der Leite des Waldes abgenommen; er und seine Frau lassen sich abnehmen; er versteht nicht abzunehmen; sehr glücklich abgenommen sein (fast gleich: getroffen). Ich will mein Bild abnehmen lassen, d. h. mich malen oder photographiren lassen. Gew. In einigen Worterb. findet sich dies Wort in der Bed. von zeichnen, in andern, wie Grimm, nur von abconterfeien.

Sallmann 1880, 79
abnehmen durch Malen, Zeichnen, besonders Photographieren, aufnehmen; eine zu prüfende Lieferung, zustimmend übernehmen, besonders Rekruten.

Gutzeit 1886, 12
abnemen, 3) empfangen, eine Lieferung, zustimmend übernemen; Rekruten, empfangen. Auch in 390c. 79; ein Haus, das im Bau fertig ist. — Eine Parade über Truppen, st. abhalten, nach dem Russ., rig. Ztg. 1867. 138. — 4) Heu, abmähen; Kartoffeln, auf- oder ausnemen, aus dem Felde. — 8) zielen. Beim Schießen muss man gut abnemen, um zu treffen. — 6) Ein Kind, entwönen. Gew. Wie im russ. — 7) Ohne Beisatz, gew. in der Bed. von: magrer werden. Ich habe entsetzlich abgenommen; ein so starkes Abnemen deutet auf ein schweres Leiden. Dieses „Abnemen“ ohne Zusatz bezieht sich nur auf die körperliche Fülle, nicht z. B. auf die Schwächung des Körpers oder Geistes. Man spricht wie in Deutschland: seine Geisteskräfte nemen ab, aber nicht: er nimmt ab (in Bezug auf die Geisteskraft).

Gutzeit 1892b, 1
abnehmen einen Hafen. Hunde, die einzeln einen alten Feldhasen, ohngeachtet der von ihm gemachten schnellen Wendungen (Haaken) ergreifen (abnehmen) konnten, E. v. Rechenberg-Linten, Zustände Kurlands S. 48.
4) Heu, abmähen; Kartoffeln, auf- oder ausnehmen. aus dem Felde.

Masing DBWB, 93f.
abnehmen, st. (ápnēmən) 1. wegnehmen, konfiszieren. …daß es … zween verdächtigen Juden ein Fuchspferd … abgenommen habe … Mitauer Ztg. 1798, № 74. _ 2. ordnungsgemäß empfangen (vgl. Abnahme 2.) Mein Vater hatte dasselbe [Kordonhaus] … für Rechnung der Krone erbaut, und leider war es noch nicht „abgenommen” worden. Bienemann II, 200. … bei einer Pferdeaushebung wurde der … Fuchswallach … von der Kommission „abgenommen” … Rig. Rdsch. 1929, № 244. _ 3. † „das Licht abnehmen” heißt, das Licht schneutzen. FGuH, 4. _ 4. Heu a., abmähen; Kartoffel a., auf- oder ausnehmen. Gtz. N 1886, 12. _ 5. ein Kind a., entwöhnen. Gtz. N 1886, 12. _ 6. † eine Rödung (s.d.) a., Reste verkohlter Bäume entfernen. …/ nachdeme säumte er ja nicht / sein Land / … abzunehmen und zu reinigen / und dasselbe … auff die frische Asche zu besäen / … H.v. Neidenbg. 22. _ 7. † einen Hasen a., fangen. Hunde, die einzeln einen alten Feldhasen … ergreifen (abnehmen) konnten, gehörten … zu den Seltenheiten … Rbg-Lint. 48. ? _ 8. die Hunde a., koppeln. Georg rief den Pikör herbei. „Peter, nimm die Hunde ab! Wenn die jetzt der Spur folgen, so läuft der Boll noch meilenweit.” Ropp, Elk. 38. _ 9. zielen. Auf die nächste [Schnepfe] … werde ich von der Seite a. Guleke 50. _ 10. die Überkleider ablegen. Nehmt ab! .. wir setzen uns gleich zu Tisch. Carlile 82. _ 11. † abbrauchen. Sie haben noch wenig abgenommen, d.h. von der Medizin eingenommen. gtz. I, 13. _ 12. durcht Zeichnen, Malen, Photographieren bildlich wiedergeben. Herr Hentsch … offerirt sich mit seiner Geschicklichkeit im Silhouettieren … Er nimmt halbe und ganze Figuren in gleichen Familien … ab. Mit. pol. Ztg. 1796, Beilage z. 84. Stück. Die Gegend ist von der Seite des Waldes abgenommen; er versteht nicht abzunehmen. Gtz. I, 13. Heute wohl nur: photographieren. Hast du dich nicht auch wieder mal a. lassen? Holm Kerkh. 209. _ 13 abmagern. Er hat stark abgenommen.
¤ abnehmen „Offt kommt einem Viehe die jähe Uber-Blut an: … Ist es eine Kuh, nimt sie einen Tag vorher an der Milch ab.” (Neuer und Alter Curländischer Hof-, Land-, Schreib- und Haus-Calender 1727) s. auch abkanten
¤ abnehmen s. Abschließung!
¤ abnehmen „IX … In solchen Gegenden aber, wo Kiefern und Grähnen rar, und dagegen gute Laubholz-Stämme an Ellern, Espen und Birken vorhanden sind, da sollen die ersten Sorten zu denen Hofes-Gebäuden geschonet, und zu denen Bauer-Gesindern keine andere als Laubholz-Balken angewiesen werden, wie dann selbige, wenn sie vom December bis zum Ende des Februar und zwar in abnehmenen (!) Mondlicht, gehauen, abgescheelet und gut getrocknet worden, um ganz unverwerfliches Bauholz abgeben.” (Herzogl. Forstpatent, Peter, Mitau 29.XII.1769. _ Gedr.)

Nottbeck 1987, 16
K.L.R.

Abzäunung die
1. 'das Abzäunen'
siehe auch abzäunen
2. 'umzäunter Ort zur Grasung, zum Rossgarten' et koppel

QUELLEN

Gutzeit 1886, 21
Abzäunung, 1) Handlung des Abzäunens; 2) umzäunter Ort zur Grasung, zum Rossgarten, Stender und heute.

Masing DBWB, 165
Abzäunung, f. (ápcȫnuŋ) 1. das Abzäunen. _2. umzäunter Ort zur Grasung. Gtz. N 1886, 21.

abtrollen V [s]
Vi de fortgehen; et jalga laskma
Heute sollten wir unsere Abiturientenarbeiten anfangen, da aber mehre (!) Hindernisse eintraten, mußten wir abtrollen

QUELLEN

Gutzeit 1859, 23
abtrollen, fortgehn. Gew. Sich abtrollen, das bei uns nicht gebräuchlich, findet sich in Hoffmanns Kater Murr, Berlin 1828. 462.

Masing DBWB, 155
¤ abtrollen, „Heute sollten wir unsere Abiturientenarbeiten anfangen, da aber mehre (!) Hindernisse eintraten, mußten wir abtrollen (J. Kolbe 22. XI. 1837).

abwirtschaften V [h]
Vr 'sich müde arbeiten, sich ermüden' de sich abmühen, sich abarbeiten; et end ära vaevama
ich musste mich recht abwirtschaften, die Hunde auseinanderzubringen
ich habe heute mich abgewirtschaftet bei dem Bettaufmachen

QUELLEN

Gutzeit 1859, 24
abwirtschaften sich, mit einem, mit oder bei etwas: sich müde arbeiten, sich ermüden. Ich musste mich recht abwirtschaften, die Hunde auseinanderzubringen; ich habe heute mich abgewirtschaftet bei dem Bettaufmachen.

Masing DBWB, 162
abwirtschaften, sw. (ápwirtšaftən) sich a., sich müde arbeiten. Ich mußte mich recht a. bei dem Bettaufmachen. Gtz. I, 24.

Kobolt 1990, 35
abwirtschaften zu nhd. wirtschaften

Ahling der
{mnd. halung, haling; lett. ãliņš, ãliņgiš 'Eis-, Netzwuhne'}
‣ Belege: Lettland
'offenes Loch im Eis' de Wuhne; et jääauk

QUELLEN

Bergmann 1785, 2
[ahling Wuhne im Eise]

Hupel 1795a, 5
Ahling (Lett.), Wuhne im Eise

Seemann von Jesersky 1913, 100
Ahling let. ahlingis, Wake. Loch im Eise zum Wasserschöpfen

Revaler Bote 1919-1930, 1928/157
[34.0097-12: Rosenberg in Revaler Bote 1928, Nr. 157]: notiert zu Grosberg,. Meschw., daß im Nordbaltikum Ausdrücke wie eine Zibbe Butter, Heu in Gubben, Paggel, Ahling fremd seien.

Sehwers 1936, 21
Alingis „Eiswuhne“ stammt aus nd. haling „Wuhne“. Frischbein in seinem Preuß. Wb. I, 296 und II, 472 führt die hd. Form Holung in der Bedeutung „große Wake im Eise, aus der das eingelassene Netz geholt, d.h. gezogen wird“ an. Bei den baltischen Deutschen scheint die nd. Form haling gegen Ausgang des 18. Jhs. nicht mehr im Gebrauch gewesen zu sein, da Gustav Bergmann 1785 in seiner „Sammlung livländischer Provinzialwörter“ S. 2. „ahling für Wuhne im Eise anführt. Das Fehlen des anlautenden h bezeugt, daß das Wort aus dem Lett. stammt, wo bei der Herübernahme des Wortes aus dem Nd. ins Lett. das anlautende h abgefallen ist. Auch Hupel 1795 in seinem Idiotikon... S. 5 bezeichnet das Wort als einen Lettizismus. „Ahling (Lett.), Wuhne im Eise“. Wie das oben gezeigt ist, so ist das urspr. ein nd. Wort, das ins Lett. entlehnt worden ist, worauf wieder eine Rückentlehnung aus dem Lett. in die baltisch-deutsche Umgangssprache stattgefunden hat. In der gegenwärtigen baltisch-dt. Umg. ist das Wort unbekannt.

Kiparsky 1936, 79
Ahling [āliŋ] m. 'Wuhne' ‹ lett. ãliņš, ãliņgiš 'Eis, Netzwuhne'. Schon bei BERGMANN 2; heute in K. und LL. (z.B. bei GROSBERG Meschwalden S. 235 und JESERSKY 100.

HWbGA 1936, 202
Ahling lett. alingis ‹ mnd. haling, ... Holung

Grosberg 1942, 303, 320
Loch im Eis: „im Ahling tunken“

Teuchert 1944 , 376
auf dem Fischlande, am Haff ind in der Dramburger Gegend begegnet Hälung, Häling als Bezeichnung des größeren Ausziehlochs.


QUELLEN (Informanten)

WL 3,4: offenes Loch im Eis. 1) Wuhne, die, Mundartlich auch in Nord- und Mitteldeutschland; 2) Wake, die: Niederdeutsch, J. Renners Livl. Historien: „Leth vele wake int is houwen.“; 3) Ahling, der. Nur in Lettland. ‹ lett. alingis. Schon bei Bergm. (1785); Seemann von Jesersky (S. 100) Grosberg Meschwalden 225.


WL 3,4: der u. das Ahling - gehauenes Loch im Eis. ‹ lett. 32x belegt.
Aale (?), vgl. Ahling Gehauenes Loch im Eis. WL 3,4. 1x belegt.


im lett. Sprachgebiet belegt.

Akzisnik der
{russ. акцизникъ}
‣ Belege: Estland, Livland, Kurland
de Akzisebeamter; et aktsiisiametnik

QUELLEN

Masing 1924-1926, 407
1) Aktsiznik, Aktsižnik. (Die Ableitungssilbe -nik ist russisch; vgl. Kartjožnik und Cholŏtnik); Akzisefink (Walksche Gegend. Vgl. d. Zusammenstellungen „Schmierfink, Schmorfink“ etc.

Kiparsky 1936, 144
Akzisnik m. 'Akzisebeamter (auch als Scheltwort gebraucht)' ‹ r. акцизникъ id. MASING Schelten S. 407. E.L.K., heute fast ausgestorben

Grosberg 1942, 261, 320
s - stimmhaft; russisch

albern2 Adj
et rumal, lihtsameelne
So viel mein alberner Verstand mir sagt
mein alberner Verstand findet, sieht das nicht 'schlichter Verstand'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 28
albern Beiwort. Wir gebrauchen es in einem Fall im guten Sinne des Stammwortes alber. So viel mein alberner Verstand mir sagt; mein alberner Verstand findet, sieht das nicht: schlichter Verstand

Gutzeit 1886, 26
albern Zu erinnern dürfte sein an das (veraltete) russ. алaборъ (alabor) Einrichtung, Organisation, wovon das noch heute gewönliche besaláborniy (безалaборный) einfältig, albern, besalábornostj Albernheit, Alberei und besaláborit' albernes Zeug sprechen oder tun. Altslawisch jedoch nicht bezeugt. Zu erinnern ist auch an gr. αβελτεροζ einfältig, tölpisch und απλoοζ oder απλoυζ einfältig, dumm. vgl. apfeldwatsch

Alfanzerei die
de Albernheit; et lapsikus, veiderdamine

QUELLEN

Sallmann 1880, 28
Alfanzerei plattdeutsche Entlehnung

Gutzeit 1886, 27f.
Alfanzerei, die. Von den verschiedenen Ausdrücken Alfanz, alfanzen u.s.w. allein gebräuchlich. Die Bedeutung: närrisches, albernes Tun oder Sein.
Die Herleitung von Alfanz aus ital. all'avanzo zum Vorteil mutet ebensowenig an wie die von al, el fremd und fanzen reden, fenzen spotten; wenig auch die Annahme, dass Alifanz den fremden Schalk, Landstreicher, Schelm bezeichne. Die ältesten Schreibungen des Wortes beweisen durch ihre Verschiedenheit, dass es nicht als deutsches herausgefült wurde; dasselbe erweist auch der Doppelbegriff des Wortes Alfanz, welches teils für eine Person, theils für eine Sache verwandt wurde und wird - was der deutschen Sprache wol fremd und kaum anders als aus dem Unverstandenen des Wortes zu erklären sein dürfte; das männliche Geschlecht des Wortes ließ dieses ebenso wol für eine Sache als für eine Person verwenden. Ich mögte Alfanz als entstanden vermuten aus franz. élégant. Dass die ungehobelten Deutschen des Mittelalters den französischen Elegant für einen geckenhaften Narren hielten und als solchen ihn und sein Auftreten bespöttelten, hat nichts gegen sich; kommt das ja noch heute oft genug vor! Sie konnten den französischen Gecken oder Narren zwar auch mit einem deutschen Ausdrucke benennen, zogen aber den fremden vor, um den Franzosen und seine französische Eigenschaft besser zu kennzeichnen. Dass der deutsche Mund das französische Wort nur entstellt wiederzugeben vermochte, dafür finden sich eine Menge Beispiele, so in Wolfram's Parsifal und Wilhelm. Sie schrieben französische Wörter nach deer ihrem Ohre vernehmbaren Aussprache und gemäß der seltsamen, damals üblichen Schreibweise. So entstanden: Terdelaschoye, Schastel, marveille, Munsalvasch, Munschoy, Munlêûn, Blanscheflur, in denen es schwer wird, das franz. Wort herauszuerkennen. Bei der Wiedergabe des franz. Elegant war es daher möglich, dass das erste e zu a wurde, dass das zweite é teils e blieb, teils in a, i, en, an, sich verwandelte, g aber in deutschtümliches f. Das Ganze gewann ein heimisches, deutscheres Gepräge. In den ältesten und alten Gestaltungen des Wortes iist dies noch weniger erkennbar als in den neueren; die ältesten und alten lassen noch das zweite e des franz. Wortes in a, e und i, an und en erscheinen; die neuere und neueste hat den zwischenlaufenden Selbstlaut ausgestoßen, wodurch Alfanz entstanden und dem Ganzen ein noch deutscheres Aussehen verliehen ist. Die Endung fanz ist daher wol ebenso wenig wie in Firlefanz und Popanz mit deutschem Fanz oder Fant zusammenzubringen, vgl. Firlefanz.

Altweib das
{russ. баба 'altes Weib'}
1. de Napfkuchen, Aschkuchen, Puffer ?
oder die dicke Julie buk ein „alt Weib“, wie man bei uns zu Lande den russischen Namen „Baba“ wortwörtlich verdeutschte.
2. de Hebamme; et ämmamoor
3. 'alte Frau' et eit, moor

QUELLEN

Bergmann 1785, 3
Altweib ein Kuchen, aschkuchen genannt. Asch bedeutet in oberdeutschland ein Gefäß welches oben weit ist, unten aber spitzig zuläuft.

Hupel 1795a, 5, 6
Altweib heißt ... 1) eine Art von Schüssel- oder Aschekuchen
2) eine Hebamme (nach einer Übersetzung aus dem Ehstn.)
3) überhaupt ein altes Weib

Petri 1802, 104
Altweib heißt eine Bäuerin, die als Hebamme oder als Arzt, si dii placet, - gebraucht wird.

Hollander Kochbuch 19.Jh., 58
Alt Weib zu backen

Wehren 1812, 99
ein alt Weib zu machen

Gutzeit 1859, 31
Altweib oder Alt-Weib (Ton auf dem 2ten Wort), 1) ein brodartiges Backwerk, das im Poln. und Russ. baba, in einigen Strichen Deutschlands und in Frankreich babe genannt wird, und auch unter dem Namen Aschkuchen u.s.w. bekannt ist. Bei uns kennt man für dieses Backwerk nur den Namen Altweib.
2) nach Hupel eine Hebamme - wie er meint, nach dem Estnischen. Da aber die Bezeichnung altes Weib, oder baba in Deutschland und slavischen Gegenden ebenfalls gewöhnlich ist, so mögte diese Annahme zu bezweifeln sein.

Gutzeit 1886, 32
Altweib ein Altweib heißt, bemerkt Hupel in 182. I., jede Bäuerin, die sich als Hebamme oder Arzt gebrauchen läßt. Sie haben bisweilen nicht wenig Einfluß selbst in guten deutschen Häusern. - [Das Gebäck Altweibs wird in vielen Familien Rigas auch Puffer genannt.]

Masing 1931, 38
Alt Weib - Napfkuchen. Dasselbe wie Babe (s.d.)

Kiparsky 1936, 189f.
Altweib [altvéḭp] m. 2) Hebamme r. бaбa id. […] In der Bed. ist es heute selten, war aber im 18.-19. Jh. nach HUPEL 6, GUTZEIT N98 32 sehr häufig gewesen, was man auch an der Lehnübersetzung estn. vananaene 'Hebamme' sieht. Bei GRIMM kommt Altweib nur in der Bed. 'vetula' vor.

Taube 1944, 117
oder die dicke Julie buk ein „alt Weib“, wie man bei uns zu Lande den russischen Namen „Baba“ wortwörtlich verdeutschte.

Kobolt 1990, 37
Altes Weib n Napfkuchen
vermutlich Übersetzungslehnwort aus russ. baba 'Weiblein, Napfkuchen'


QUELLEN (Informanten)

Altweib, Babe; Baranki; Bulke; Kalatsche, Kulitsch, Schulik
Baigel, Challe (?)
Karrasch, Karbitz (?), Platzing
Seppik
Kithe

Ambare die
‣ Varianten: Ambar, Ambarre, Anbare
{russ. aмбap 'Speicher'}
'Scheune, Warenschauer im Hafen' de Speicher, Vorratshaus; et ait
Während dieser Periode (wurde) ebenso ein neues Gebäude für das Ambaren-, Wach- und Brand-Commando (errichtet).
Capitain Fr. Schwanck, Schiff 'Elvine', welcher am 9. Juli bon hier (=Riga) nach Lübeck abzugehen gedenkt, hat eine bequem eingerichtete Cajüte und empfiehlt dieselbs den resp. Reisenden. Das Schiff liegt bei den Ambaren.
‣ Synonyme: Magazin, Scheune

QUELLEN

Hupel 1795a, 6
Ambare s. Anbare. Anbare, die (Russ.) d.i. Magazin, Speicher, Vorrathshaus, sonderlich Waarenlager der Kaufleute. Einige sagen unrichtig, Ambare

Rig. Zeitung 1838
Capitain Fr. Schwanck, Schiff 'Elvine', welcher am 9. Juli bon hier (=Riga) nach Lübeck abzugehen gedenkt, hat eine bequem eingerichtete Cajüte und empfiehlt dieselbs den resp. Reisenden. Das Schiff liegt bei den Ambaren. [Nr. 76, Anzeigenteil]

Possart 1846, 181
Anbarre, die (russ.), d.h. Magazin, Speicher, Waarenlager. -

Gutzeit 1859, 31
Ambare, die. Scheune. Dieses aus Russland zu uns gelangte Wort wird in Riga gebraucht, welche für die Abladung der mit den Strusen herunterkommenden Erzeugnisse bestimmt sind. In den ältern rig. Verordnungen für die Handelsämter findet es sich noch nicht, und steht dafür Scheune an der Düna, Dünascheune, Hempf- und Flachsscheune. Hanf-, Flachs-, Oel-, Talg- u.s.w. Scheume sind aber auch jetzt die gewöhnlichen Ausdrücke, welche der Handelsstand benutzt, die es im Russ. hat. In dieser weitern von: Speicher, Ablegescheune kommt es auch ab und zu in den rig. Anzeigen vor, z.B. 1805, 707: zwei Kron-Ambaren außerhalb der Petersburger Pforte.
Das Wort wird zur Zeit seines Aufkommens immer mit einem m geschrieben. Nach der Schreibung des russischen Wortes findet man aber auch Anbare, Anbarre und Ambarre gesprochen und geschrieben.
Mit diesem Worte bilden verschiedene Hauptwörter Zusammensetzungen. So Ambaren-Capitän, Ambaren-Feuerlöschanstalten, Ambaren-Torfe, u.s.w.

Sallmann 1880, 13
Ambare Scheune, Waarenschauer im Hafen (a.d. Russ.)

Rig. Almanach 1882, 41
die Ambaren - die Speicher im Hafen v. Riga. Während dieser Periode (es ist von den Jahren 1854-66 die Rede, in denen Hernmarck Ältester der großen Gilde und Ratsherr ist) .. (wurde) ebenso ein neues Gebäude für das Ambaren-, Wach- und Brand-Commando (errichtet).

Gutzeit 1886, 32
Ambáre. Scheunen auf der Lastadie (doch wol zur Aufnahme der Strusenwaren) werden schon früh erwänt, werden aber nicht Ambaren genannte. 1601 z.B. werden sie angezündet und abgebrannt. - Ungewönlich und nach dem Russischen in der folgenden Stelle. Aus einer im dritten Stock eines Hauses befindlichen Ambare fiel der Kaufmann S., 174. 1855. S. 46.

Eckhardt 1896, 26
Ambare - Getreidespeicher, Fremdwort a.d. Russ., aber „dem dt. Sprachgeist anbequemt“

Eckardt 1904, 63
Die Ware wird teils verhöckert, teils in größeren Partien verkauft und wandert in die eigens zu diesem Zweck erbauten Speicher - die „Ambaren“. Dem russischen Ausdruck „Ambare“ (eigentlich Scheune) begegnen wir schon 1805 in den Rigaschen Stadtblättern

Seemann von Jesersky 1913, 101
Ambare - Speicher, im Besondern auf der Lastadie bei der Karlsschleuse

Kiparsky 1936, 144
Ambare [ambárə] f. 'Scheune, Warenschauer im Hafen' ‹ r. aмбápъ 'Lagerhaus, -raum, Speicher'. GUTZEIT I, 31., N86 40, SALLMANN N. 10, JESERSKY 101. Belegt seit 1779 und heute wohl nur in den Hafenstädten bekannt

Kobolt 1990, 38
Ambar(r)e, f Ambar m, mit Betonung auf der zweiten Silbe, Speicher. russ. ambar Speicher, Lagerraum


QUELLEN (Informanten)

der Ambar 'ein großer Speicher' Riga, Hagensberg ?

amten V [h]
Vi 'das geistliche Amt versehen' et ametis olema (vaimulikuna)
J., der heute noch als Pfarrer amtet

QUELLEN

Gutzeit 1886, 34
amten, das geistliche Amt versehen. J., der heute noch als Pfarrer amtet, Gartenlaube 1881. 610.

DRWB I, 563f.
andere alte Belege, nicht Gutzeit

Ämterversetzung die
'Versetzung der Ratsglieder zu anderen Stellen des Rats'
im J. 1607, als die Ämterversetzung beim Rathe war

QUELLEN

Gutzeit 1886, 34
Ämterversetzung. Im J. 1607, als die Ämterversetzung beim Rathe war, Tielemanns Vorr. zu Nystädt 5, Versetzung der Ratsglieder zu anderen Stellen des Rats. Findet noch heute alljährlich statt.

DRWB I, 564
Ämterversetzung Versetzung der Ratsherren auf andere Ratsstellen (einziger Beleg)

anfällig Adj

man darf einem Anfälligen keinen Tropfen Brantwein erlauben

QUELLEN

Gutzeit 1886, 40
anfällig ein Anfälliger, der einen Anfall von Krankheit oder einen Trunkanfall hat. man darf einem Anfälligen keinen Tropfen Brantwein erlauben. 372. II. 340. Nach Grimms Wtb. heute ungebräuchlich und daselbst in and. Bed. angef.

angehen V [s]
1. Vi 'sich anziehen lassen (von Kleidungsstücken)' et (selga, jalga, kätte) minema
der Stiefel geht nicht an, geht leicht an und ab
der Rock geht (mir) nicht an [diese gew. Bed. ist weder bei Hoffm. noch bei Grimm]
2. Vi 'sich wohin begeben' et minema
ich werde zu oder bei dir angehen
geh' recht bei, zu mir an
ich ging zu ihm an
auf dem Rückwege werde ich zu Hause angehen 'in meine Wonung mich begeben' [angehen bezieht sich stets nur auf ein kurzes Verweilen an dem Orte, an den man sich begibt.]
heute zwei Mal bei ihm angegangen 'zu ihm gegangen' [schreibt man in Tagebüchern]
wegen der Miete wird er morgen bei dir angehen 'bei dir vorsprechen, dich aufsuchen' [Estland]
3. Vi de sich ansetzen (von Speisen wie Milch und Schmand); et kokku minema
die Milch geht an, ist angegangen 'setzt sich beim Aufkochen an; dies geschieht besonders in der Zeit, wo die Kühe setzen und die Milch Überschuss an Käseteilen enthält.'
4. Vi et puudutama, (kellegi kohta) käima
das geht dir, mir nichts an [hört man sehr allgemein, nur die Gebildeten construiren mich, dich. Im Behördenstil wird der Dativ noch jetzt sehr gewöhnlich gebraucht]
solcher Befehl wird allen, denen es angeht, bekannt gemacht
5. Vi 'mit Unterbrechung eines größeren Wegs auf einen Augenblick bei jemandem vorsprechen' et läbi astuma (kellegi poolt, kuskilt)
heute zwei Mal bei ihm angegangen 'zu ihm gegangen' [schreibt man in Tagebüchern]
auf dem Rückwege werde ich zu Hause angehen [bezieht sich stets nur auf ein kurzes Verweilen an dem Orte, an den man sich begibt]
siehe auch an-2
6. Vi de anlaufen, randuma
Hafen, in welche die Schiffe angehen mussten

DAZU:
ein angehender Arzt, Jurist usw. 'ein junger Mann, der sich durch Studium zum Arzt, Jurist heranbildet, auf dem Wege ist, es zu werden' [nicht ein junger Arzt, wie Grimms Wtb. erklärt]

QUELLEN

Gutzeit 1859, 37f.
angehen. 1) sich anziehen lassen von Kleidungsstücken. Der Stiefel geht nicht an, geht leicht an und ab; der Rock geht (mir) nicht an. Diese gew. Bed. ist weder bei Hoffm. noch bei Grimm.
2) sich wohin begeben. Ich werde zu oder bei dir angehen; geh' recht bei, zu mir an; ich ging zu ihm an. Vgl. anmüssen, anwollen.
3) von Speisen, sich ansetzen. Die Milch geht an, ist angegangen, setzt sich beim Aufkochen an.
4) das geht dir, mir nichts an, hört man sehr allgemein; nur die Gebildeten construiren mich, dich. Im Behördenstyl wird der Dativ noch jetzt sehr gewöhnlich gebraucht. z.B. solcher Befehl wird allen, denen es angeht, bekannt gemacht.
5) In Tagebüchern schreibt man: heute zwei Mal bei ihm angewesen, zu ihm gegangen.
6) Hafen, in welche die Schiffe angehen mussten,174. 1857. 95, anlaufen.

Sallmann 1880, 84
Bei vielen Zusammensetzungen mit an ergibt sich die Bedeutung: mit Unterbrechung eines größeren Wegs auf einen Augenblick bei jemandem vorsprechen, in Deutschland bei ähnlichen Wendungen mit vor wiedergegeben. So in anbritschen, andürfen, anfahren, anflitzen, angehn, anjagen, ankommen, anlaufen, anmögen, anmüßen, anreiten, anrennen, anschicken, anschießen, anschneien, ansein, ansollen, anspringen, anwollen u. a.

Gutzeit 1886, 41
angehen, 2) zu Hause angehen. Auf dem Rückwege werde ich zu Hause angehen, in meine Wonung mich begeben. Angehen bezieht sich stets nur auf ein kurzes Verweilen an dem Orte, an den man sich begibt. —
3) von Milch und Schmand, wenn sie aufgekocht werden, ansetzen. Dies geschieht besonders in der Zeit, wo die Kühe setzen und die Milch Überschuss an Käseteilen enthält.
Unter 5) ist im Wörterschatz st. angewesen zu lesen: angegangen. Gehört zu 2). Ein angehender Arzt, Jurist u. s. w. nicht ein junger Arzt, wie Grimms Wtb. erklärt, sondern ein junger Mann, der sich durch Studium zum Arzt, Jurist heranbildet, auf dem Wege ist, es zu werden.

Kiparsky 1936, 190
angehen [ánjềən], ankommen [ánkòmən] 'im Vorübergehen eintreten (nur für kurze Zeit)' - r. зaхoдить, зaйти 'bei jmdem. (im Vorbeigehen) vorsprechen'. Fehlt in dieser Bed. bei Grimm, ist aber im ganzen Baltikum üblich. Vgl. GUTZEIT I, 40; N98 41; SALLMANN N. 148. - Nach den Samml. des Preuss. Wb. soll angehen 'bei jem-dn vorsprechen' in Danzig vorkommen.

Nottbeck 1987, 17
angehen - bei jmd. vorsprechen, jmd. aufsuchen / E.
wegen der Miete wird er morgen bei dir angehen

anheuern V [h]
Vt de annehmen, anmieten; et palkama
Schiffsvolk anheuern [noch heute]

QUELLEN

Gutzeit 1898, 2
anheuern, Schiffsvolk, annemen, anmiten. Noch heute.

anhoien V [h]
‣ Varianten: anhuien
Vt 'mit Hoi anrufen'
das Anhoien des Schiffes geschah in Folge

DAZU:
einen anhoien (id) 'sich betrinken'
KOMM: Was die altertümliche Interjektion hui betrifft, so brauchen die rigischen Hutmacher noch heute das Wort anhuien im Sinne von „einen fremden Gesellen nach seinen Personalien fragen“; aus der Handwerkersprache ist dieses Wort in etwas allgemeinerer Bedeutung ('jemand anrufen, um ihn etwas zu fragen oder sich mit ihm zu unterhalten') und in leicht geänderter Form als anhoien in die Sprache der dörptschen Studenten eingedrungen.

QUELLEN

Gutzeit 1886, 44
anhoien, mit Hoi anrufen. Das Anhoien des Schiffes geschah in Folge, rig. Ztg. 1875. 174.

Masing 1931, 15
Was die altertümliche Interjektion hui betrifft, so brauchen die rigischen Hutmacher noch heute das Wort anhuien im Sinne von „einen fremden Gesellen nach seinen Personalien fragen“; aus der Handwerkersprache ist dieses Wort in etwas allgemeinerer Bedeutung ('jemand anrufen, um ihn etwas zu fragen oder sich mit ihm zu unterhalten') und in leicht geänderter Form als anhoien in die Sprache der dörptschen Studenten eingedrungen.

ankönnen V [h]
Vi
der Stiefel kann nicht an 'angezogen werden'
er konnte ihm (dem Widersacher) von keiner Seite an 'beikommen'
ich kann heute nicht zu, bei dir an 'ankommen'
der Hengst kann nicht an 'an die Stute, sie bespringen'
siehe auch ankommen

QUELLEN

Gutzeit 1859, 40
ankönnen Bemerkenswert wegen elliptischer Redeweisen. Der Stiefel kann nicht an, angezogen werden; er konnte ihm (dem Widersacher) von keiner Seite an, ankommen, beikommen; ich kann heute nicht zu, bei dir an, ankommen; der Hengst kann nicht an, an die Stute, sie bespringen.

Sallmann 1880, 82
ankönnen von Thiern, an das Weibchen zur Begattung

anmerken V [h]
Vt de bemerken; et märkama (midagi kellegi juures)
Einem (es) anmerken, dass er Angst hat
einem (es) anmerken, dass er krank ist, eine Unannehmlichkeit gehabt hat 'an seinem Aussehen, seinem Benemen, die Überzeugung gewinnen, dass ...'
einem die gute Erziehung anmerken
einem an den Augen etwas anmerken 'es ihm ansehen, an den Augen ansehen'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 41f.
anmerken bemerken. Einem (es) anmerken, dass er Angst hat; einem die gute Erziehung anmerken. Diese gew. Redewendung scheint in Deutschland selten. In den Wörterb. fehlt sie; Grimm deutet sie an, führt aber keine einschlagende Stelle auf; er giebt auch an, dass Lessing und dessen Zeit anmerken für bemerken gebraucht; also nicht die neuere Sprache? - Bg. (210) hat: einem an den Augen etwas anmerken, für abmerken.

Gutzeit 1886, 46
anmerken Einem (es) anmerken, dass er krank ist, eine Unannehmlichkeit gehabt hat, d.h. an seinem Aussehen, seinem Benemen, die Überzeugung gewinnen, dass. Einem etwas an den Augen anmerken, es ihm ansehen, an den Augen ansehen, Stender und heute gew.

anmuten V [h]
Vt de ansinnen; zumuten; et nõudma, ootama
wie kann ich es ihm anmúten sein? 'wie kann ich es ihm zumuten?'
was bist Du mir anmuten? 'was mutest du mir zu?'

QUELLEN

Gutzeit 1886, 46
anmuten einem etwas, ansinnen. Nicht selten mit sein: einem etwas nicht anmúten sein, st. ihm nicht zúmuten. Wie soll oder kann ich es ihm anmúten sein? - Bemerkenswert ist in Grimms Wtb. eine ganz ähnliche und ebenso auffallende Stelle aus Hahn: anfangs waren die Griechen Conrado anmuten, daß ... - Was bist Du mir anmuten? Stender, was mutest du mir zu? Auch heute. He is mi wat anmoden, 479, verlangen, zumuten. In 476: öck kann em dat nich anmöde sön, d.h. ich kann das nicht von ihm beanspruchen, verlangen.

anpfuien V [h]
‣ Varianten: anpfuyen
Vt 'Missfallen über etwas laut werden lassen, indem man sich der Interjektion pfui bedient' de verhöhnen, belachen, anspeien
siehe auch pfui

QUELLEN

Gutzeit 1886, 47
anpfuien Stender hat anpfuyen, in der Bed. von verhönen, belachen, anspeien. Grimms Wtb. hat anpfuen und sagt, anpfuien wäre noch heute ein kräftiges Wort. In 479 anfuijen, Mißfallen über etwas laut werden lassen, indem man sich der Interjection pfui bedient.

Arschin die
{russ. аршинъ 'Längenmaß von 0,71 m'}
'ehemaliges Längenmaß von 0,71 m' et arssin

QUELLEN

Hupel 1795a, 10
Arschin, die (russ.) d.i. die russische Elle, deren man sich auch in Liefland oft bedient.

Sallmann 1880, 10
Arschín, m. rußisches Längenmaß von ungefähr anderthaöb Ellen, bei uns als fem. gebraucht.

Pantenius 1880, 47
Arschin altes russisches Mass.

Gutzeit 1886, 59
Arschin Das Brennholz war früher ellig, jetzt muss es arschinig sein, d.h. arschinlang.

Eckhardt 1896, 27
Arschin a.d. Russ., aber im dt. Gewande.

Kiparsky 1936, 145
Arschin [aršīn] f. 'russ. Längenmass = ca 71 cm' ‹ r. аршинъ id. LINDNER (1759) S. 17, GUTZEIT N86 59, SALLMANN V. 9; N. 10. - Heute selten.

Kobolt 1990
Arschin mit betontem, langem Vokal in der Endsilbe, f.
russ. arschin 'ehemaliges Längenmaß von 0,71 m'


QUELLEN (Informanten)
Weiss, Lis-Marie: Reval
Arschin Aus dem Russischen, Längenmaß = 71 cm

Art die
1. 'Geschlecht, Abkunft' de Rasse; et sugu, tõug
Kuh von holländischer Art
Hündin von großer Art
Kuhkälber von guter Art
2. de Zucht; et tõuaretus
Hengst, der zur Art gebraucht werden kann
eine Sau und ein Eber zur Art werden verkauft
Stute, die zur Art gut ist
auf dem Hofe sollen ein Väterchen und Mütterchen (von Hünern) den (m) Bauer zur Art gegeben werden
zur Art behalten
3. 'Art und Weise' de Weise; et viis
durch was Art die Wahl geschehen 'auf welche Weise'

DAZU:
der ist nicht von guter Art, der den Pelz ablegt vor Himmelfahrt (id) [Verbunden mit der sog. Bauernregel: Ein Preuße von der rechten Art trägt seinen Pelz bis Himmelfahrt; und fängt ihm dann zu frieren an, dann trägt er ihn bis Sankt Johann. Und tut ihm dann der Bauch noch weh, so trägt er ihn bis Bartholmä (24. August).] Burkhardt 2009

QUELLEN

Gutzeit 1859, 51
Art 1) Race. In den ältern rig. Anz. das allein übliche Wort für: Race. Mit dem Anf. des jetzigen Jahrh. taucht das letztere auf, und verdrängt allmälig jenes. Kuh von holländischer Art, 172. 1767. 256; Hündin von großer Art, ebda. 1769. 113. Kuhkälber von guter Art, ebda. 1799. 98. 2) Zucht. Hengst, der zur Art gebraucht werden kann, 172. 1788. 268; eine Sau und ein Eber zur Art werden verkauft, ebda. 1793. 222; Stute, die zur Art gut ist, ebda. 1796. 244. In beiden Bed. findet sich das Wort auch bei Stender. Es erklärt die folgenden Zusammensetzungen.

Gutzeit 1886, 59
Art 1) Raçe. In früherer Zeit gew. u. noch heute hier und da. Canarienvögel von guter Art, rig. Ztg. 1858. 301; 33 Gänse von guter Art, ebda 1859 - 2) Zucht. Von den Hausvögeln soll man nicht zur Art behalten die -, 328. 201; auf dem Hofe sollen ein Väterchen und Mütterchen (von Hünern) den (m) Bauer zur Art gegeben werden, 330. 21; zur Art behalten, 328. 172. - 3) Art und Weise. Durch was Art die Wahl geschehen, 349. IV. II. - Zu Grimms Wtb. (I. 572. 5 am Ende) ein alter Beleg: vorschreiben, was Art sie wählen sollen, 349. IV. II., d.h. auf welche Weise sie es gut befinden, ebda.
Die Ra.: Art lässt nicht von Art (Art will nicht von Art, 192. III. 3) stellt Grimms Wtb. unter 3) angeborene Art, natürliche Beschaffenheit. Ungezwungener ist die Stellung unter 2): Geschlecht, Abkunft. So erklärt auch Stender; entsprechend ist das heutige: Raçe verleugnet sich nicht.
Oft zu hören ist: der ist nicht von guter Art, der den Pelz ablegt vor Himmelfart.

Artikelgebrauch

siehe auch Halbdeutsch

DAZU:
siehe auch ein2

QUELLEN

Hupel 1795a, 47
de st. der, die, das, z.B. de Pferd, rührt aus dem Plattd. her, ist aber jetzt pöb.

Krüger 1832, 335
11) Daumfach, st. Dompfaff (der Vogel), ermindern (ermuntern, aus der Ohnmacht, der ganz schlechte Artikel de für alle Geschlechter Sing. und Plural, stehends, stehens, (stehend), liegens, reitens, - zum Schakane, schakaniren, prabbiren (probiren), von neiens (von neuem), bluttendig, in einem Blute, durch'n Stirn sehen, ... sind mehr oder weniger ein Prärogativ der gemeinen Classen.

Seemann von Jesersky 1913, 111
de - der, die, das, dem, den.

Gutzeit 1864, 182ff.
der. I. Hinweisendes. 1) an dein sein. In bessern Kreisen gilt: es ist an dem st. verhalt sich so für unedel, und zieht man : in dém vor. vgl. Grimm II. 967. β.
2) dém sein u. dér ihr, im Sinne von: dem od. der gehörig. Das ist dem sein Buch, der ihr Tuch, dem seins, der ihres, dem seine Bücher, der ihre Tücher. — Stärker hinweisend als sein u. ihr schlechtweg und auch keine Unbestimmtheit zulassend, die bei einfachem sein u. ihr stattfinden kann. — Ganz entsprechend ist: diesem sein, dieser ihr, u. jenem sein. vgl. II. 1. c.
II. Geschlechtswort.
1) Wegfall desselben.
a. Bei Superlativen wird, nach Grimm II. 987. 23, das Geschlechtsw. gew. beibehalten; doch hätten Neuere angefangen, sich darüber hinwegzusetzen, namentlich Göthe. — Hier nicht selten in ganz gew. Sprechweise. Feinster Flachs wir verkauft zu; schönsten Schnaps gewinnt man; geringste Gefahr läuft man; unnützeste Sorge. Daher erscheinen unserm Ohr mehre der aus Göthe angezog. Stellen nicht auffällig, während andre wöl in der That gewungen sind.
b. Bei regirten Genitiven, s. Grimm 989. c. Früher wie im nd. gew. Mit Bewilligung Elterleute u. Eltisten , 274; auf Ersuchen Eltermanns u. Eltesten, 349. IV. 11.; bei Verlust Wicht u. Wage. 349. IV. 1; bei Verborung sechs Ferdinge, ebda., nd. by verböring VI. Ferding. -
Als Genitiv wird von Grimm 1002. e. auch angesehn: wir gingen zu Müllers; Schwabens sind geistreiche Leute. Wahrscheinlicher ist das s Zeichen der Vielz., wie in Mädchens, Kinderchens, da man z. B. sagt: die 3 Müllers sind bei uns gewesen, d. h. die 3 Brüder od. Schwestern, die Schulzens, d. h. die Geschwister S.
c. Bei Benutzung des besitzigen Fürworts st. des Genitivs. Die Erklärung, heißt es in Grimm Gramm. 3. 351, des schon im mhd. vorkommenden, heute in d. Schriftsprache geächteten, (doch z. B. in Lessing zu findenden!), unter dem Volke weit verbreiteten Redegebrauchs: des Vaters sein Buch, der Mutter ihr Kleid, ist nicht deutlich. In Oberdeutschland wird sogar der vorausgehende Genitiv in den Dativ umgesetzt: dem Vater sein Buch, in der Mutter ihrem Bett, dem Göthe sein Gedicht; endlich: das ist ihnen ihr Rock. — In den russ. Ostseeprovinzen ist dieser Redegebrauch gäng u. gebe. Man geht aber noch einen Schritt weiter u. setzt das erste Hauptwort in den Nominativ — buchstäblich wie im Türkischen, heißt es in 175. 1354. ll4 —, was sich schon im nd. nachweisen lässt. [183] So findet sich 335. 148. (J. 1569): den 8. Nov. ßinth der hertzog ßzu curlhandt Ihre f. gn. gesanntenn tho Radthuße geweßen; ebda. 166 (J. 1570): der Herzog ßzu Curlandt Ire f. gn. geßantene bogerdenn. In der hochd. Zeit gewärt eine Kämmereirechnung v. 1650: (des) David sein(em) Fuhrmann 2 Thl. (gegeben), d. h. dem Fuhrm. des (Einspännigers) David. Ganz gew. sprechen wir: Göthe sein Gedicht, in Mutter ihrem Bett, mein Bruder sein Zimmer, mein Knecht seine Stiefeln; das sind meine, deine Schwestern ihre Kleider, seine, ihre Kinder ihr Spielzeug. Geht ein Vorwort voraus, so heißt es selbst: an meinen Schwestern ihren Kleidern ist viel zu verändern; durch meine Brüder ihre Schuld.
d. Häufig in d. Sprache der Dienstboten, in d. Anrede od. Mittheilung über die Herrschaft. Ein Kommender fragt das Dienstmädchen, ob der Herr od. die Frau zu Hause sein u. erhält zur Antwort: Frau, Herr, Fräulein, Jungherr ist oder sind eben ausgegangen; es wird Herrn Hofrat od. Frau Hofrätin sehr leid thun, dass .. . Was wünschen Fräulein? Was befehlen gnädige Frau? Fräulein, Jungherr befahl mir. — Dieser Redegebrauch trifft zusammen mit dem Untergebner gegenüber Hoch- u. Höchstgestellten: Majestät, Durchlaucht befahlen od. befahl. — Aber auch im Gespräch mit Dienstboten. Bei alte Frau, bei alte Herr war das anders; zu alte Herr kamen Viele.
e. Häufig im vertraul. Gespräch. Wer ist gekommen? Alte Müller! — Bertram in balt. Skizzen: hier, sagte alte Riegel.— Im Gespräch mit Kindern u. Thieren. Gib Mäulchen, gib Mundchen, gib Kußchen, Händechen, zeig Zähnecken; einem Hündchen: gib Pfotchen! Kommt Hundechen. kommt Katzenchen. Hierin gibt man wol einem lett. Einflüsse, nach.
f. Oft bei Nennung von Straßen und Thoren. Ich ging Sandpfortskasernenstraße zur Post; ich ging Karlspforte ein und Jacobspforte hinaus. Man erklärt diese Sprechweise für undeutsch. Man schreibt und spricht aber z. B. in Aachen: Vor Adelbertsthor, was selbst bei uns unstatthaft wäre.
g. Bei Kloster, Schloss, Burg, wird das Geschlechtswort manchmal ausgelassen, heißt es in Grimm 1008. — Hier seit jeher: auf, zu, in, unter Schloss Kokenhusen u.s.w., nicht aber: aus, zu, unter Gut Kroppenhof.
h. Ortsnamen bleiben wie Ländernamen bekanntlich ohne Geschlechtsw. vgl. Grimm Wörterb. 1007. 43 u. Gramm. 3. 422. — Alle unsre ältesten (plattd.) und ältern (hochd.) Schriftsachen weisen Beispiele des Gegentheils auf, nicht allein vor Städten, sondern auch vor versch. Gegenden u. Landgütern. Der Gebrauch des Geschlechtsw. war sehr allgemein, beginnt in den ersten Zeiten Riga's u. Livlands, u. hört erst Ende des vorigen Jahrh. auf. Na der Plesskow, in de Musschow, ut dem Bikeren (Bickern bei Riga), na der Schuien (Schujen in Livland) u.s.w. Ebenso in Kurland, wozu die Erlasse Kettlers eine Menge Beispiele liefern: bei der Illuxten, zwischen der Lautzen, zum Buschhof, auf der Ekau u. s. w.; aber auch: unter Ellern u. s. w. — Am Längsten erhielt sich der Gebrauch des Geschlechtsw. bei Olai, da z. B. B.-M. Shievelbein und Brotze noch in der 2ten Hälfte des 18. Jahrh. ganz gew. die Olei u. die Oleie, in der Olei schreiben; u. bei Pernau, von dem noch zu eben der Zeit B.-M. Zange in s. Beschreibung der Stadt n. Hupcl in s. topogr. Nachr. die alte u. die neue Pernau unterscheiden. Bis in die neueste Zeit aber hört man: die Bolderaa (Flecken) n. die Dünamünde (Festung), obgleich jeht Bolderaa u. D. schlechtweg durchdringen. Mülgraben u. Neuermülen, Güter bei Riga, heißen schon seit längerer Zeit nicht mehr der M. u. die N.
Dieser Gebrauch des Geschlechtsw. ist im nd. gewönlich, u. ging aus diesem in unser hochd. über. Hier u. da erklärt er sich auch daraus, dass manche Örtlichkeiten Livlands ihren Namen von den vorüberfließenden Flüsschen erhielten. Schon Hupel in 182 macht darauf aufmerksam, dass Schlösser u. Güter häufig ihren Namen von dem daselbst befindlichen Bache haben; auch Seßwegen habe vermutlich s. Namen vom Bach Zehswaine oder Zehsweine. Unrichtig ist aber anzunehmen, dass alle die vielen Örtlichkeiten Liv- u. namentlich Lettlands, welche gleiche Namen mit den nahe befindlichen Flüsschen haben — und dies kommt in ähnlicher Allgemeinheit in ganz Europa nicht vor! — von diesen Flüssen ihren Namen herleiten. Bei vielen wird nie zu entscheiden sein, ob die Benennung des Baches od. des dabei liegenden Gesindes oder Guts ursprünglicher ist; bei einigen kann kein Zweifel stattfinden, z.B. bei Embek (Pernau), Podel od. Walk, Bolderaa u. Mülgraben; bei einigen ist die Annahme nur wahrscheinlich, wie bei Riga, da die frühesten Nachrichten von keinem Flüsschen Rige, sondern nur von einem See u. Berg, vielleicht sogar Ort [184] Rige erzälen, und die in alter Zeit gew. Verbindung: Stadt van (der) od. tho (der)Rige nicht gedeutet werden darf: Stadt von oder zum Rigefluss. Gleichnamige Orts - u. Flussnamen sind in Livland aber folgende: Schlok od. Schlock. In einer alten Urk. heißt es: that wather, dat de slok het (jetzt Aa); Bebberbek am Bebberbach, Bersón an der Bersone, Laudohn, Kujen an d. Kuje, Tirsen an d. Tirse, Rujen an d. Ruje, Waidau an d. Waidau, Ermes, lett. Ehrgemes an der Ehrgem, Fellin am Fluss Fellin, Salis od. Saltze an d. Salis, Pernau am Pernaufluss; ferner in: Bolderaa, Mülgraben, Bickern, Riga, Padel, Podel od. Pödel (Walk), Embek (Pernau), Olei od. Olai, Klus od. Bergshof an der Klus (Neuermülen). Auch viele fremde Städtenamen bekamen früher d. weibliche Geschlechtsw., wie namentlich: die Plesschow od. Pleskau, die Musschow od. Moskau, die Wilda od. Wilde (Wilna). — Selbst Livland bekam zuweilen das Geschlechtsw. Aus reichstäglichem Beschluss das Lieffland beschutzen, 334. II. Öfters findet man auch: die Liefflande, ohne dass hierunter gerade die 3 Theile des alten Livlands zu verstehen sind.
Verschiedne Ortlichkeiten in u. bei Riga haben das Geschlechtsw. theils vor sich, theils nicht. Bei einem Theil ders. gilt die Weglassung für unedel, wie z. B. auf Weidendamm wohnen oder hingehn; auf Seifenberg, auf Grisenberg; auf, über, nach, unter Catherinendamm. Indessen reißt der Nichtgebrauch des Geschlechtsw. mehr und mehr ein, u. lässt sich schon Ende vor. Jahrh. nachweisen. So sagt Brotze 350. 22. 493: das Wasser hatte einen Abfall über Catharinendamm; ebda.: die Gegend zwischen Catharinendamm u. der roten Düna, Noch unedler, aber selbst gedruckt zu lesen sind: an oder nach Dünalant, an, bei od. nach Brückende, oder endlich Domsgang ohne Geschlechtsw.: in der Bude Domsgang gegenüber, 172. 1812. 19. Nicht unedel erscheint aber: auf Johannesdamm, auf Rankedamm, nach od. auf Kengeragge Kruseragge, Poderagge. Man kann annehmen, dass die Weglassung des Geschlechtsw. um so mehr um sich greift, je bekannter u. bewohnter die Örtlichkeiten werden. — Der Ausdruck „über Düna“ ist auch im Muude Gebildeter geläufig u. der Kürze wegen vorgezogen.
War ehemals bei Ortsnamen das weibl. Geschlecht Regel, so kam indessen auch das männliche vor. So schon in einer Urk. v. 17. Dez. 1383: in Podelis, quod aliter dicitur up den Walk, im Urkundenbuch Bunge's übersetzt: Zu Podel, anders genannt auf dem Walk; in einer Urk. u. 1393: tu dem Walke; in einer Urk. v. 1424: gegewen tho dem Walke. Ferner: das Fährgeld zum Bullen (jetzt: zu Bullen!), im mit. Erl. Kettlers v. 1570; zum Buschhof, im rig. Erl. Kettlers v. 1567; ut dem bikeren, aus Bickern.
Die ältere Sprache Deutschlands, im 15. u 16. Jahrh., zeigt bei Städten das Beiwort mit d. Fürwort gew. weiblich, allein stehendes Geschlechtsw. aber gew. männlich. Wenigstens weisen darauf allein Grimms Gramm. 3. 422 angeführten Beispiele, mit Ausnahme eines einzigen: Riga, nach Ditleb u. Detmar. vgl. Grimm Wörterb. II. 1007. 43.
2) Verwechselung des Geschlechtswortes. Hupel in 182. I. 146 sagt: der verwünschte aus der plattd. Sprache entlehnte Artikel de, welcher jedes Geschlecht bequem anzeigt, hat vielen Livländern das Gehör so benommen, dass sie öfters in Gefahr stehn, in dem Geschlechtsw. zu fehlen. Hupel selbst hat durchweg: das Fuhrlohn u. die Spanne st. der Spann (Eimer). — Noch häufiger als in Livland scheint die Verwechselung in Estland vorzukommen. Denn Hoheisel (322) führt an: der Almosen, der Antwort, der Koppel, der Wachstum, die Hinderniss. die Flecke st. der Fleck.
a. sächliches f. männliches. Lohn für sich und in Zusammensetzungen: das Arbeitslohn, gew. u. schon in 250; das Arztlohn, schon in einem Memorial v. 1614; das Macherlohn; das Fuhrlohn; das Bleicherlohn, rig. Ztg. 1856; das Frauenverein in Riga; das Abtritt (geheimes Gemach); das Herzschlag (Kalbsgeschlinge).
b. männliches f. sächliches. Der Garn; schöner Dachtgarn. 172. 1789; der Wachs; der Stroh; der Sigellack; der Fischbein. Die Kammerjungfern stibitzten den Fischbeinweg, Bertram balt. Skizzen; der Plätteisen; der Rührei; der Marks st. das Mark; der Lob (s. 3).
c. männliches f. weibliches. Der Schnur; der Trauer (Trauerkleidung); der Zeh.
d. weibliches f. männliches. Die Mohne st. der Mohn, namentlich wenn Mohnblüte gemeint ist; die Clubbe st. der Club, für Kurland schon in 319, für Estland neuerlichst in 322 angef., in Riga früher gew., jetzt wol selten; die Pulte st. der Pult (oft); die Fracke st. der Frack (jetzt selten); die Gurte st. der Gurt.
Bei manchen Hauptwörtern findet nur scheinbare Verwechselung statt, wenn nämlich die Vielz. als Einzal benutzt wird. Dazu geh.: die Schlafe st. der Schlaf am Haupt: [185] die Strange st. der Strang am Wagengeschirr; die Schöße st. der Schoß am Rocke. Nicht dazu gehören: die Bäche st. der Bach u. die Schichte st. der Stiefelschaft.
3) Verschiednes Geschlecht u. verschiedne Bedeutung. So: die Trauer in der gew. Bed., der Trauer: Trauerkleidung; das Lob in der gew.. Bed., der Lob: Zeugniss f. Dienstboten, das lobend od. tadelnd sein kann. Der Kalkun, als Schimpfwort f. Männer, das K., für Weiber: klotzige, plumpe, dumme Person; der Herzschlag u. das H., d. h. Lungen u. Herz vom Lamm od. Kalb.
4) Versächlichung, bei gewissen Örtlichleiten u. Einrichtungen. Das aus der Stadt hinausverlegte Jürgenshof (Siechenhaus); das bei Alexandershöhe gelegene Tannenruh (Gasthaus); in dem jenseits der roten Düna belegenen Alexandersböhe (Irrenanstalt).

Taube 1944, 181f.
[Weglassung des Artikels vor Namen und Titeln]: Da setzten wir uns wieder im Saale zu den Tanten, die von Nachbarn und Verwandten zwitscherten - immer wohlwollend, immer nur lobend - mit Wendungen wie zum Beispiel: 'Liebe Doktor Grünewaldt hat uns das u. das gesagt' - 'Liebe Herr von Staal' - 'Liebe Herr Pastor war neulich hier' - 'Gute Vetter Taube, was haben wir für einen abscheulichen Gouverneur!' Wird liebe Kaiser ihn nicht abberufen?

Bergengruen 1954, 20ff.
Meine Gedanken hängen noch an .. alter Anna. Alte Anna war unsere lettische Köchin. .. Es gehörte zu alter Anna, daß sie die Grenzen ihrer Zuständigkeit überschritt. .. Wenn sie Deutsch redete, so sprach sie von sich selber in der dritten Person und nannte sich dabei, ohne je denArtikel zu brauchen, 'alte Anna', und so wurde sie auch von uns anderen genannt, von Kindern und Erwachsenen.


QUELLEN (Informanten)
Schönfeldt, Alfred, Sen.: Riga, Petersburg, Estland
Bei Bergengruens 'alter Anna' könnte man denken, die Weglassung des Artikels gehöre dem Halbdeutsch niedern Schichten an. Bei Taube sprechen hochadlige Damen.
Ich erinnere mich dessen, daß es in der Heimat einmal eine Polemik zwischen Dr. Oskar Masing und einem (nichtbaltischen) Dozenten der estnischen Universität Tartu (Dorpat) gab, wohl in den zwanziger oder dreißiger Jahren: Masing stellte fest, daß die Weglassung des Artikels ältere baltische Spracheigentümlichkeit sei, wogegen der Germanist aus Dorpat sich wandte: wenn ich mich recht erinnere, mit dem Argument, die Gepflogenheit gebe es nur bei Halbdeutschen.

Atschischtschena die
‣ Varianten: Atschischtschina, Atschischtschinaja wodka, Otschischtschena, Otschischtschina
{russ. очищенная 'reiner Branntwein'}
‣ Belege: Estland, Livland, Kurland
'Tafelschnaps besserer Qualität' de Branntwein (gereinigt); et viin

QUELLEN

Sallmann 1880, 10
A(O)tschischtschina(-ja wodka) reiner Brantwein ohne irgend welcher Zusatz.

Westermann 1887, 388
Atschischtschena Branntwein, a.d. Russ.

Seemann von Jesersky 1913, 152
Otschischtschena, gereinigter Brantwein.

Kiparsky 1936, 145
Atschischtschena [atšíštšina] m. 'reiner Branntwein' ‹ r. очищенная id. SALLMANN B. 10. E.L.K. Heute im Verschwinden.

Kobolt 1990, 45, 192
Atschischtschena(ja Wodka) f reiner Schnaps russ. atschischtschenaja wodka reiner Schnaps. s. otschischtschenaja.
Otschischtschena(ja) wodka) f raffinierter Schnaps, Tafelschnaps besserer Qualität; russ. otschistsitj raffinieren, filtern, reinigen.

id auch immer
‣ Belege: Dorpat (Anf. des 20. Jh.) *Der früheste Beleg 18. Jh.
de jawohl; et küll ikka
Werden sie mit spatzieren gehn? auch immer!

QUELLEN

Ojansuu 1906, 89
Auch immer. „Ist das Ehstnische kül ikka. Werden sie mit spatzieren gehn? auch immer! ob man gleich nie wieder mitgeht.“

Kiparsky 1936, 76
auch immer 'jawohl'. ... = estn. küll ikka 'ja ja, ja wohl'. - ARVELIUS Für Geist und Herz 1787, S. 5., OJANSUU 89. - Heute in Dorpat üblich.

aufgehen V [s]
1. de hingehen
bin ich abermals an den Kanzler aufgegangen 'zu ihm aufs Schloss'
2. Vi 'sich vom Eise befreien' de eisfrei werden; et jääkattest vabanema
Der Fluss war aufgegangen
3. 'sich aufziehen lassen' et kätte (jalga) minema
der Handschuh, Stiefel geht (nicht) auf
4. 'Platz haben' et mahtuma
auf einen Bauerwagen geht nicht viel auf
auf Böden so viel Korn führen, als aufgeht
geht noch etwas auf?
‣ Synonyme: darauf gehen
5. de raschen (beim Backen), quellen; et kerkima
6. veralt. 'außer Bett sein'
er geht auf [von Kranken]

DAZU:
ein verständiger Landmann (Arrendator), der redlich aufzugehen vermeinet, wird nicht mehr bieten, als das Gut trägt [in welcher Bedeutung?]

QUELLEN

Gutzeit 1859, 56
aufgehen 1) von Flüssen, vom Eise in denselben. Der Fluss war aufgegangen, 176. 1825. 98. 2) der Handschuh, Stiefel geht auf, geht nicht auf, lässt sich aufziehen; 3) Platz haben. Auf einen Bauerwagen geht nicht viel auf; auf Böden so viel Korn führen, als aufgeht; geht noch etwas auf? - In allen 3 Bedeutungen gew. In der letzten braucht man auch, doch seltner, darauf gehen.

Sallmann 1880, 85
aufgehen von Flüßen, eisfrei werden; von Geld etc. drauf gehn, consumi; von Sachen, auf einer erhöhten Stelle Platz finden, auf etwas gehen; von Kranken, außer Bett sein: „er geht auf“

Gutzeit 1886, 65
aufgehen 4) von Kranken, außer Bett sein. Er geht auf, 390c. 85. Hoheisel (322. 25), der diese Redeweise verzeichnet, hält sie für dem Estnischen entlehnt. Doch irrtümlich. 1) hingehen (aufs Schloss). Bin ich abermals an den Kanzler aufgegangen, 351. XVII. 18: zu ihm aufs Schloss. - 2) ein verständiger Landmann (Arrendator), der redlich aufzugehen vermeinet, wird nicht mehr bieten, als das Gut trägt, 349. XIV. 2. In welcher Bed.?

Kiparsky 1936, 76
aufgehen 'aufgestanden sein (von einem Kranken)' = estn.? nach HOHEISEL 25. Vielleicht nach estn. haige ju ajab kehale 'der Kranke steht schon auf', eig. 'geht auf den Leib'? - Heute ungebräuchlich.

Kobolt 1990, 46
aufgehen st.V. sich vom Eise befreien; beim Backen raschen, quellen
Ableitung von nhd. auf, das sowohl 'offen' als auch 'aufwärts' bedeuten kann. Im Baltikum verbreitet.

aufkratzen V [h]
Vt 'in gute Stimmung versetzen' de erheitern, aufmuntern
ganz aufgekratzt nach Hause kommen
Na, du bist ja heute recht aufgekratzt! 'guter Stimmung'
siehe auch aufgekratzt

QUELLEN

Gutzeit 1886, 67
aufkratzen erheitern. Ganz aufgekratzt nach Hause kommen, aufgeräumt, erheitert

Kobolt 1990, 47
aufkratzen schw. V. aufmuntern
nhd. alltagsspr. aufkratzen 'in gute Stimmung versetzen'


QUELLEN (Informanten)
Schönfeldt, Alfred, Sen.: Riga, Petersburg, Estland; Schönfeldt, Sigrid: Riga
Na, du bist ja heute recht aufgekratzt! guter Stimmung

Aufname die
de Annahme
Aufname von Frachtgütern
Aufnahme eines photogr. Bildes. Heute findet keine Aufname statt.
Aufname eines Brautpares. Aufname folgte auf Aufname.

QUELLEN

Gutzeit 1886, 68
Aufname von Frachtgütern, Anname, 390c. 86. - Eines photogr. Bildes. Heute findet keine Aufname statt. Eines Brautpares. Aufname folgte auf Aufname.

Aufsegelung die
'Entdeckung neuen Landes durch Seefahrer'
die Aufsegelung Livlands oder des rigischen Hafens
siehe auch aufsegeln

QUELLEN

Gutzeit 1859, 63
Aufsegelung Entdeckung durch Schiffe. „Die Aufsegelung Livlands oder des rigischen Hafens“ ist ein seit Rüssow von vielen livl. Geschichtsschreibern benutzter und noch heute gangbarer Ausdruck.

Kobolt 1990, 48
Aufsegelung Entdeckung neuen Landes durch Seefahrer, s. aufsegeln.

aufstowen V [h]
‣ Varianten: aufstoven
1. Vt de dämpfen, dünsten (noch einmal); et üles soojendama
Fleisch aufstowen
der abgeschnittene Braten kann morgen aufgestowt werden
2. Vr 'in bessere Kleidung getan' de aufputzen; et üles lööma
die hat sich aber aufgestowt!
3. 'wieder guter Stimmung sein nach vorangegangener Missstimmung oder Depression'
na, du bist ja wieder ganz aufgestowt! 'erheitert' [in Betreff der Gemütsstimmung]

QUELLEN

Gutzeit 1859, 64
aufstowen Fleisch. Der abgeschnittene Braten kann morgen aufgestowt werden. Von noch unzubereitetem Fleisch sagt man: stowen.

Sallmann 1880, 87
aufstowen noch einmal stowen

Gutzeit 1886, 73
aufstowen 2) aufputzen. Aufgestowt, in bessere Kleidung gethan. 3) in Betreff der Gemütsstimmung: erheitert.


QUELLEN (Informanten)
Schönfeldt, Alfred, Sen.: Riga, Petersburg, Estland
sich aufstowen - sich 'restaurieren'
"sich aufstowen" konnte man etwa nach einem Katzenjammer, aber auch nach vorübergehender Niedergeschlagenheit.
Ich muß mich erst richtig aufstowen!
Na, du bist ja wieder ganz aufgestowt!
aufgestowt sein - wieder guter Stimmung sein nach vorangegangener Mißstimmung oder Depression
Na, heute bist du ja wieder ganz aufgestowt!
Na, hast du dich wieder aufgestowt?!

Schönfeldt, Sigrid: Riga; Tode, Wally: Libau, Riga; Wachtsmuth, Wolfgang: Riga
aufgestowt - etwas auffallend herausgeputzt ?
Die hat sich aber aufgestowt!

aus1 Adv
1. de heraus; et välja
(komm) aus! [ruft man in verschiedenen Spielen]
nicht ein nicht aus wissen (id) 'sich nicht zu retten u. zu helfen wissen'
2. de draußen; et väljas
er ist aus
heute aus, morgen aus, alle Tage wollen Sie aus! 'aus dem Hause'
heute 3 Mal aus 'aus zu Stuhl gewesen (in Tagebüchern)'
etwas, viel, mit Schmerz, dick, schleimig aus [über Stuhlgang]
3. 'zur Bezeichnung der Vollendung od. Beendigung' et läbi
das Theater heute um 11 aus
4. 'verstärkend für ab u. ver, häufig mit dem Nebenbegriff des Schlechterwerdens, Verderbens'
kommt der Diener spät nach Haus‘, so ist es gleich ganz aus 'ist die Herrschaft ganz böse, aus Rand und Band'

QUELLEN

Petri 1802, 82
aus, für heraus, z.B. komm aus! wann eher ausgekommen? d.h. wann sind Sie herausgekommen? er ist aus, statt draußen

Gutzeit 1859, 67
aus […] 7) Nebenwörtlich und mit Weglassung des Zeitworts: a. zu Stul gewesen. In Tagebüchern: heute 3 Mal aus; etwas, viel, mit Schmerz, dick, schleimig aus; b. aus dem Hause gewesen. Heute aus, morgen aus, alle Tage wollen Sie aus! c. aus! ruft man in verschiedenen Spielen; das Theater heute um 11 aus.

Gutzeit 1886, 76
Mit Zeitwörtern verbunden verstärkend für ab u. ver, häufig mit dem Nebenbegriff des Schlechterwerdens, Verderbens, 390c. 88; zur Bezeichnung der Vollendung od. Beendigung, ebda. – In rig. Ztg. 1880. 50: kommt der Diener spät nach Haus‘, so ist es gleich ganz aus, d.h. ist die Herrschaft ganz böse, aus Rand und Band.
Nicht ein nicht aus wissen, sich nicht zu retten u. zu helfen wissen. Bei Stender: er weiß nicht wo aus, wo ein, d.h. weiß nicht, wo bleiben od. wo sich lassen.

aus-3 Präf
1. 'heraus, hinaus'
ausreiten, ausfahren
2. 'bei Verben der Bewegung und Hilfszeitwörtern elliptisch'
ausdürfen, auswollen, auswünschen usw. [Häufig sind die Verbindungen mit Hilfszeitwörtern und einigen anderen, bei welchen, um den Sinn richtig zu fassen, ein ergänzendes Zeitwort hinzudenken ist. So dürfen, können, mögen, sein, sollen, müssen, wollen, werden, wünschen. Meist ist zu ergänzen: aus der Stadt aufs Land, aus dem Haus, aus dem Bett, auf das geheime Gemach. Der Gebrauch dieser Ergänzung fordernden Zeitwörter ist viel ausgedehnter, als er im Hochd. zu sein scheint.]
siehe auch ausbrauchen
3. 'pleonastisch'
die Gänse müssen besser ausgemästet werden
das Leder kann besser ausgeschmiert werden
4. 'im Innern, von innen heraus, nach innen'
eine Form mit Butter ausstreichen, mit Reibbrot ausstreuen
ein Casseroll mit Speckscheiben auslegen [Im Hochd. hat man ähnliche Verbindungen, nur in beschränkterer Zahl, so: einen Ofen ausschmieren, eine Form mit Fett ausschmieren. Flache Geschirre werden belegt, bestreut, bestrichen, tiefe ausgelegt, ausgestreut, ausgestrichen]
5. 'verstärkend = ab, ver, häufig mit dem Nebenbegriff des Schlechterwerdens, Verderbens'
6. 'auseinander'
siehe auch ausblättern, ausreffeln
7. 'inchoativisch'
8. 'zur Bezeichnung der Vollendung oder Beendigung'

DAZU:
ausgehen
KOMM: Da aus in zahlreichen Zusammensetzungen, wie wir gesehen haben, euphemistisch die Bedeutung „zu Stuhl“ gewinnt, so hat sich ein aus Deutschland Kommender zu hüten, daß er nicht etwa vor fremden Ohren die Absicht laut werden läßt auszugehn, oder von einem augenblicklich von Haus Abwesenden, nach dem gefragt wird, die Auskunft ertheilt: er ist aus. Ueberall, wo eine Zweideutigkeit möglich ist, wird „von Haus“ gesagt. Man braucht also wohl ausreiten, ausfahren, aber nicht ausgehn = spazieren gehen, aussein = von Haus, auf einem Spaziergang abwesend sein, sondern statt dessen „von Haus gehen, von Haus sein“.

QUELLEN

Petri 1802, 82
aus, für heraus, z.B. komm aus! wann eher ausgekommen? d.h. wann sind Sie herausgekommen? er ist aus, statt draußen

Gutzeit 1859, 67
aus In Verbindung mit Zeitwörtern oder ohne dieselben häufig st. heraus oder hinaus, was, außerdem dass die Rede gekürzt wird, noch mit gewissen Vorzügen verbunden ist. Im Hochd. ist dieser Gebrauch viel eingeschränkter, findet sich aber in manchen Redensarten, wo unsre Sprache hinaus oder heraus verlangt. So bei dem Zw. ausbringen, unter welchem Grimm anführt: Du bringst mich heute nicht aus (der Stube); ein Landstreicher wurde ausgebracht. In beiden Fällen sagen wir hinausbringen. Hierzu gehören auch diejenigen Wörter, bei denen aus die Bedeutung von: aus der Stadt hinaus od. heraus hat. Er kann zu dir auskommen: aus der Stadt auf’s Höfchen; er kann zu dir ausfahren, ausgehen: aus der Stadt auf’s Höfchen hinaus; er kann das Geld zu dir ausbringen: aus der Stadt aufs Höfchen oder in die Vorstadt hinaus. – 2) aus in Verbindung mit Zeitwörtern leiht ihnen häufig eine pleonastische Verstärkung. Die Gänse müssen besser ausgemästet werden; das Leder kann besser ausgeschmiert werden. 3) mit Zeitwörtern, die eine Bewegung, Handverrichtung bezeichnen, bedeutet es weder (wie bei ziellosen) von innen her, noch (bei zielhaften) von außen her (vgl. Grimm aus 9. a), sondern im Innern, inwendig. Eine Form mit Butter ausstreichen, mit Reibbrot ausstreuen, ein Casseroll mit Speckscheiben auslegen. Im Hochd. hat man ähnliche Verbindungen, nur in beschränkterer Zahl, so: einen Ofen ausschmieren, eine Form mit Fett ausschmieren. – Flache Geschirre werden belegt, bestreut, bestrichen, tiefe ausgelegt, ausgestreut, ausgestrichen. - 4) häufig sind die Verbindungen mit Hilfszeitwörtern und einigen anderen, bei welchen, um den Sinn richtig zu fassen, ein ergänzendes Zeitwort hinzudenken ist. So dürfen, können, mögen, sein, sollen, müssen, wollen, werden, wünschen. Der Gebrauch dieser Ergänzung fordernden Zeitwörter ist viel ausgedehnter, als er im Hochd. zu sein scheint. 5) in der Bedeutung von: auseinander, so in: ausblättern, ausreffeln u.s.w. Bemerkenswert sind folgende Wendungen. Hecht aus seiner Suppe gekocht, Enten aus ihrer eignen Suppe kochen, st. in oder mit. In der Küche, 155. – Man muss aus dem Gelenke hauen, nicht mit dem ganzen Arm. Fechtkunst. – Aus den Schiffen, oder aus den Kellern Salz messen: beim Einkauf aus den Schiffen, beim Verkauf aus den Kellern, 149. Kein Gast noch Fremder soll aus den Schiffen Salz und Hering kaufen, 7. Wenn Jemand begehrete aus’m Schiffe zu löschen, 148; seine Sache aus dem Gefängnisse ausführen: im Gefängniss befindlich, von dort her, 148 (in den abg. Artikeln). – Die Möbeln sind aus dem Leim gegangen: die Verleimung hat sich gelös’t und die Möbeln sind dadurch auseinander gegangen. Tischlerei. 7) Nebenwörtlich und mit Weglassung des Zeitworts: a. zu Stul gewesen. In Tagebüchern: heute 3 Mal aus; etwas, viel, mit Schmerz, dick, schleimig aus; b. aus dem Hause gewesen. Heute aus, morgen aus, alle Tage wollen Sie aus! c. aus! ruft man in verschiedenen Spielen; das Theater heute um 11 aus.

Sallmann 1880, 88, 110f.
aus, häufiger als sonst auch in Verbindung mit Substantiven vorkommend, steht in Zusammensetzungen 1) = heraus, hinaus 2) bei Verben der Bewegung und Hilfszeitwörtern elliptisch (meist ist zu ergänzen: aus der Stadt aufs Land, aus dem Haus, aus dem Bett, auf das geheime Gemach) 3) pleonastisch 4) = im Innern, von innen heraus, nach innen 5) verstärkend = ab, ver, häufig mit dem Nebenbegriff des Schlechterwerdens, Verderbens 6) = aus einander 7) inchoativisch 8) zur Bezeichnung der Vollendung oder Beendigung.
Da aus in zahlreichen Zusammensetzungen, wie wir gesehen haben, euphemistisch die Bedeutung „zu Stuhl“ gewinnt, so hat sich ein aus Deutschland Kommender zu hüten, daß er nicht etwa vor fremden Ohren die Absicht laut werden läßt auszugehn, oder von einem augenblicklich von Haus Abwesenden, nach dem gefragt wird, die Auskunft ertheilt: er ist aus. Ueberall, wo eine Zweideutigkeit möglich ist, wird „von Haus“ gesagt. Man braucht also wohl ausreiten, ausfahren, aber nicht ausgehn = spazieren gehen, aussein = von Haus, auf einem Spaziergang abwesend sein, sondern statt dessen „von Haus gehen, von Haus sein“.

Gutzeit 1886, 76
aus Mit Zeitwörtern verbunden verstärkend für ab u. ver, häufig mit dem Nebenbegriff des Schlechterwerdens, Verderbens, 390c. 88; zur Bezeichnung der Vollendung od. Beendigung, ebda. – In rig. Ztg. 1880. 50: kommt der Diener spät nach Haus‘, so ist es gleich ganz aus, d.h. ist die Herrschaft ganz böse, aus Rand und Band.
Nicht ein nicht aus wissen, sich nicht zu retten u. zu helfen wissen. Bei Stender: er weiß nicht wo aus, wo ein, d.h. weiß nicht, wo bleiben od. wo sich lassen.

ausgehen V [s]
{mnd. ûtgân 'zu Ende gehen, vergehen, aufhören, einbrechen (von Deichen), durchbrechen'}
‣ Belege: Pernau
1. Vi 'seine Notdurft verrichten' de zu Stuhl gehen; et asjal käima
ich gehe regelmäßig aus 'habe regelmäßigen Stulgang'
ich bin breiig, dünn, dick, gut, schlecht, mit Schmerzen ausgegangen
sind Sie heute ausgegangen?
2. Vi selten. 'das Haus verlassen, von Hause gehen' de ausgehen; et välja minema, väljas käima; kodust lahkuma
ich gehe heute nicht aus
ich bin, war gestern nicht ausgegangen
Sie gehen gar zu leicht aus, gar zu dünn aus 'zu leicht gekleidet'
sollte aber der Sohn vom Vater ausgegangen sein, sich abgesetzet und eine absonderliche Haushaltung angefangen haben
3. Vi 'eisfrei werden' de aufgehen (von Flüssen); et jääst vabanema
die Düna ist schon ausgegangen
die Aa geht dies Jahr spät aus
das Eis der Aa ging den 17ten aus
4. Vi 'durch Waschen Farbe verlieren' de verbleichen; et välja minema (värvi kohta, pesemisel), pleekima, valastuma
diese Farbe geht nicht aus
ein Flecken in einem Kleide geht aus
das Zeug geht aus
5. Vt, Vr de austreten (einen Weg); et läbi tallama
die Diele ist tüchtig ausgegangen
der Weg hat sich grubblich ausgegangen
6. Vi 'eine Karte auf den Tisch legen' de anspielen, ausspielen; et välja käima (kaardimängus)

QUELLEN

Bergmann 1785, 5
ausgehen die Düna ist ausgegangen, anstatt die Düna ist aufgegangen, das Eis gehet auf. Kinderfr.

Gutzeit 1859, 74
ausgehen 1) der gewöhnliche Ausdruck f. seine Notdurft verrichten, zu Stul gehen. Ich gehe regelmäßig aus; habe regelmäßigen Stulgang; ich bin breiig, dünn, dick, gut, schlecht, mit Schmerzen ausgegangen. Sind Sie heute ausgegangen? Beim Ausgehen greuft mich sehr an: die häufigen Stüle. - 2) das Haus verlassen, von Hause gehen. Ich gehe heute nicht aus; ich bin, war gestern nicht ausgegangen. Sie gehen gar zu leicht aus, gar zu dünn aus: zu leicht gekleidet. 3) aufgehen, von Flüssen. Die Düna ist schon ausgegangen; die Aa geht dies Jahr spät aus; das Eis der Aa ging den 17ten aus. Schon Hupel. 4) von Zeugen und Farben, durch Waschen, verbleichen. Das Zeug geht aus; diese Farbe geht nicht aus; 5) austreten, einen Weg. Die Diele ist tüchtig ausgegangen; der Weg hat sich grubblich ausgegangen. 6) im Kartenspiel, anspielen, ausspielen. In manchen Familien gew.

Sallmann 1880, 91, 111
ausgehen die Notdurft verrichten, nie = von Haus gehn; von Wegen, austreten.
nicht ausgehn = spazieren gehen

Gutzeit 1886, 81
ausgehen 6) Sollte aber der Sohn vom Vater ausgegangen sein, sich abgesetzet und eine absonderliche Haushaltung angefangen haben, 349. IV. 13, des Vaters Haus verlassen.

Gutzeit 1892b, 4
ausgehen Ein Flecken in einem Kleide geht aus, geht nicht aus, z.B. durch Waschen.

Kobolt 1990, 50
ausgehen st. V. neben den üblichen Bedeutungen auch für den Eisgang benutzt, z.B.: Das Eis geht aus. Das Wort scheint auf Pernau beschränkt zu sein.
mnd. ûtgân 'zu Ende gehen, vergehen, aufhören, einbrechen (von Deichen), durchbrechen.

ausgelássen part Adj
1.
das Dienstmädchen ist heute wie ausgelássen 'nickisch, ungehorsam'
2.
ausgelassenes Gesicht 'breit gedunsen'

QUELLEN

Sallmann 1880, 89
ausgelaßen vom Gesicht, breit gedunsen.

Gutzeit 1886, 81
ausgelássen Das Dienstmädchen ist heute wie ausgelássen: nickisch, ungehorsam. - „Ausgelassen, vom Gesicht, breit gedunsen“, 390c. 89.

ausklopfen V [h]
1. Vt 'mit dem Fleischhammer bearbeiten'
man klopft Fleisch zu Klopps aus
ausgeklopfte Stücke von gutem Rindfleisch
2. Vt 'durch Klopfen veranlassen, herauszutreten'
einen Arzt ausklopfen 'so lange bei ihm in der Nacht an der Hausthür klopfen, bis er zum Vorschein kommt'
3. Vt de ausstäuben
eine Tabackspfeife ausklopfen

QUELLEN

Gutzeit 1859, 76
ausklopfen 1) Fleisch, Nierenfett, mit dem Fleischhammer bearbeiten. Man klopft Fleisch zu Klopps aus; ausgeklopfte Stücke von gutem Rindfleisch, 158. Was essen wir heute? Ausgeklopftes Fleisch. 2) Jemand, durch Klopfen veranlassen, herauszutreten. Einen Arzt ausklopfen: so lange bei ihm in der Nacht an der Hausthür klopfen, bis er zum Vorschein kommt. 3) eine Tabackspfeife, ausstäuben.

Sallmann 1880, 89
ausklopfen jemanden, durch Klopfen aus dem Haus, dem Bett bringen.

auskommandiren V [h]
‣ Varianten: auscommandiren
Vt de hinausbefehlen

QUELLEN

Gutzeit 1859, 70
auskommandiren in 223 oft st. hinausbefehlen, Truppen. Auch heute.

auskönnen V [h]
‣ Belege: Pernau
1. Vi 'aus dem Hause gehen können'
ich kann nicht aus, da meine Frau krank liegt
ich werde heute nicht auskönnen
2. Vi 'zu Stuhl gehen können'
trotz aller Arzenei, kann ich doch nicht aus
3. Vi de hinauskönnen
der Schlüssel kann nicht aus 'heraus aus dem Schloss'
das Eis der Düna kann nicht aus, da die Rhede mit Eis vollgestopft ist
siehe auch aus-3

QUELLEN

Gutzeit 1859, 77
auskönnen 1) aus dem Hause gehn können. Ich kann nicht aus, da meine Frau krank liegt. Ich werde heute nicht auskönnen. 2) zu Stul gehen können. Trotz aller Arzenei, kann ich doch nicht aus. 3) hinauskönnen. Der Schlüssel kann nicht aus, heraus aus dem Schloss; das Eis der Düna kann nicht aus, da die Rhede mit Eis vollgestopft ist.

Sallmann 1880, 91
auskönnen von Haus, zu Stuhl können.

Kobolt 1990, 51
auskönnen ausgehen können, ausgehen dürfen. Beschränkt, wie es scheint, auf Pernau.
nhd. elliptisch: aus dem Hause gehen können.

Auslassung die
1. 'Entlassung aus einer Lehranstalt'
Auslassung von Schülern
zu Weihnachten haben wir eine sehr starke Auslaßung gehabt 'die Gesamtheit der zur Entlassung kommenden Schüler'
2.
die Auslassung allerlei Getreides aus Riga
3. de Emission; et väljalase
die Auslassung von Papiergeld

QUELLEN

Gutzeit 1859, 78
Auslassung Entlassung aus einer Lehranstalt, 176. 1830. 148. Und öfters, in Übersetzungen nach dem Russischen. - Die Auslassung allerlei Getreides aus Riga, 172. 1788. 493. Die Auslassung von Papiergeld, Emission.

Sallmann 1880, 58, 94
Auslaßung von Schülern, Entlaßung: Zu Weihnachten haben wir eine sehr starke Auslaßung gehabt.
von Schülern, Entlaßung; von Papiergeld, Emission.

Kiparsky 1936, 191
Auslassung [áṷslàsuŋ] f. 'Entlassung (von Schülern); Emission (von Papiergeld)' ~ r. выпускъ id. Heute kaum mehr üblich. SALLMANN N. 94; Balt. Monatsschr. XXXIV, 464.

auslaufen V [s]
1. Vi et lekkima
aus Fässern, Flaschen auslaufen
die Flaschen sind ausgelaufen
das halbe Fass lief aus [bei uns nicht, wie Grimm anführt, es habe einen Ritz, sondern die Flüssigkeit in demselben läuft hinaus]
die Gießkanne hat ein so großes Loch, das alles Wasser ausläuft
2. Vi et välja nõrguma
aus gedrückten Früchten, Beren auslaufen
man lässt den Saft auslaufen (aus den Beuteln)
man fängt den auslaufenden Saft aus. Hoffm. hat diese Bed. nicht; Grimm nur so viel, dass man glauben muss, diese Redeweise sei in Deutschland nicht sehr gebräuchlich. Das Fass läuft aus, heißt
3. Vi de ausgehen, aussterben (von Pflanzen)
der Baum ist ausgelaufen
4. Vi 'durch vielen Gebrauch ausgeschliffen, nicht mehr recht benutzbar werden'
eine Nähmaschine ist ausgelaufen
5.
Brod aus schlechtem Mel läuft bekanntlich im Ofen während des Backens aus und bekommt unten einen bläulichen Schliff, die Rinde löst sich ab
6. Vi
ein Auge entzündet sich, welches davon durchschwärt u. ausläuft
das Auge lief ihm aus, ist ihm ausgelaufen
7. Vi 'viel von Hause gehen (von Dienstmädchen)'
sie muss beständig auslaufen.

QUELLEN

Gutzeit 1859, 78
auslaufen 1) aus Fässern, Flaschen. Die Flaschen sind ausgelaufen; das halbe Fass lief aus; die Gießkanne hat ein so großes Loch, das alles Wasser ausläuft. 2) aus gedrückten Früchten, Beren. Man lässt den Saft auslaufen (aus den Beuteln); man fängt den auslaufenden Saft aus. Hoffm. hat diese Bed. nicht; Grimm nur so viel, dass man glauben muss, diese Redeweise sei in Deutschland nicht sehr gebräuchlich. Das Fass läuft aus, heißt bei uns nicht, wie Grimm anführt, es habe einen Ritz, sondern die Flüssigkeit in demselben läuft hinaus.

Gutzeit 1886, 83f.
auslaufen 3) von Pflanzen, ausgehen, aussterben. Der Baum ist ausgelaufen. Hier u. da, doch nicht einheimisch. - 4) Eine Nähmaschine ist ausgelaufen, durch vielen Gebrauch ausgeschliffen, nicht mehr recht benutzbar. - 5) Brod aus schlechtem Mel läuft bekanntlich im Ofen während des Backens aus und bekommt unten einen bläulichen Schliff, die Rinde löst sich ab, rig. Ztg. 1864. 6)ein Auge entzündet sich, welches davon durchschwärt u. ausläuft, 447. 116. Noch heute: Das Auge lief ihm aus, ist ihm ausgelaufen. vgl. ausfließen. - 7) Viel von Hause gehen, namentlich von Dienstmädchen. Sie muss beständig auslaufen.

Ausnehmer der
‣ Varianten: Ausnemer
de Vertreter; et eestkostja, kaitsja
ich kann nicht Ihr Ausnehmer sein 'kann Ihnen nicht aus dieser Verlegenheit helfen, kann Sie nicht rechtfertigen'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 80
Ausnehmer Ich kann nicht Ihr Ausnehmer sein: kann Ihnen nicht aus dieser Verlegenheit helfen, kann Sie nicht rechtfertigen.

Gutzeit 1886, 85
Ausnemer. Wo sse (die Bürger) inn deme nicht min uth Nemers ssin wolden, 335. 144. J. 1569; se hebben my gelauet, myne utnemers tho syen, ebda 238. J. 1573. Der Herausgeber erklärt: meine Ausnehmer sein, mich vertreten, mich davon frei u. los machen. Noch heute gew. Schiller-Lübbens mnd. Wtb. belegen das Wort nur aus Livland; der älteste Beleg daselbst v. J. 1400.

auspusten V [h]
1. Vt de ausblasen (mit dem Munde); et ära puhuma
pust' das Licht aus!
2. Vi 'in den letzten Atemzügen sein' et hinge vaakuma
na, der pustet schon aus
3. Vt de ausblasen
der Nordwind hat das Feld, die Sat ausgepustet

QUELLEN

Gutzeit 1859, 81
auspusten (¯), 1) ausblasen mit dem Munde. Pust' das Licht aus! 2) in den letzten Atemzügen sein. Na, der pustet schon aus; 3) von Feldern, Sat, ausblasen. Der Nordwind hat das Feld ausgepustet; das Feld, die Sat ausgepustet.

Gutzeit 1886, 86
auspusten 4) Mein Zimmer ist, bei Wind, wie ausgepustet, ausgeblasen, kalt. - 5) Vieh, ausblasen, austuten. Das Vieh wird heute ausgepustet; morgen wird ausgepustet, d.h. geblasen, um anzuzeigen, dass das Vieh auf die Weide getrieben werden kann.

Vegesack 1935, 517
auspusten erholen: einen Augenblick auspusten.

Kobolt 1990, 53
auspusten schw. V. ausblasen
mnd. ûtpûsten 'ausblasen, durch Blasen löschen'; lbg. utpusten 'ausblasen'

ausschnauben V [h]
1. Vt de schnäuzen; et nuuskama
schnaub doch die Nase aus!
sich oder einem ind die Nase ausschnauben
2. Vi 'aufhören, böse od. zornig zu sein'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 84
ausschnauben sich, sich die Nase ausschnauben

Gutzeit 1886, 88
ausschnauben die Nase einem Kinde, das sich selbst noch nicht auszuschnauben versteht. Stender u. heute. - 2) zl. aufhören, böse od. zornig zu sein, Stender u. heute.

Kobolt 1990, 53
ausschnauben schw. V. schnäuzen, z.B. Schnaub doch die Nase aus!
plattd. utsnuwen, utsnuben 'sich schnäuzen'

Aussprache

siehe auch Halbdeutsch

DAZU:
siehe auch B, e1, -e3

QUELLEN

Lindner 1762
Riepel [nicht Rüpel], Bähne, Bähning

Bergmann 1785, 69
Strembing [ö]

Krüger 1832, 335
11) Daumfach, st. Dompfaff (der Vogel), ermindern (ermuntern, aus der Ohnmacht, der ganz schlechte Artikel de für alle Geschlechter Sing. und Plural, stehends, stehens, (stehend), liegens, reitens, - zum Schakane, schakaniren, prabbiren (probiren), von neiens (von neuem), bluttendig, in einem Blute, durch'n Stirn sehen, ... sind mehr oder weniger ein Prärogativ der gemeinen Classen.

Sallmann 1880, 25f.
Was die Aussprache betrifft, so liebt man im allgemeinen, abweichend von der jetzt in Deutschland angenommenen Sitte, noch die genuin französische. Wir hören Aristokratie, Diplomatie u. ä. mit s, Ceremonie, Comödie, Tragödie, Emil mit gedehnter Schlußsilbe, Accent, accompagnieren, Assecurance, Benefice, Comptoir, Concert, Correspondance, Port, practicieren, Fabrique, Procureur, Project, Senateur, Sortiment, Translateur u. a. mit fremdem Accent.

Sallmann 1880, 26
Die gleiche Vorliebe für französische Sprechweise zeigt sich in den vielgegebenen Namen Charles, Constant, Estelle, Etienne, Eugene, Gaston, Golon, Julie, Leonide,Maurice, Valerie

Westermann 1887, 388

Gutzeit 1892b, 23
ge. Hauptwörter mit vorlaufendem ge lassen gewönlich das Schluss-e nicht hören. Daher: Geank, Gestön, Gekrächz.

Eckardt 1904, 70
In Lettland geläufig: Karl - Kasche; Julius - Jusche; Eduard - Esche (Überall mit weichem sch [ž].

Eckardt 1904, 76f.
4. Betonung und Aussprache. Es werden uns in der Regel über unser Deutsch nicht wenig Komplimente gemacht. Kohl, Arndt und viele sonst, darunter auch Hamann und Herder, wissen unsre provinziale Sprechart zu rühmen, und wenn wir einen Teil des Lobes immerhin als einen Tribut der Courtoisie ansehen können, so bleibt es doch in der Hauptsache dabei, daß wir ein reines, sauberes, dialektfreies und „zierliches“ Deutsch reden, an dem mancher Fremddeutsche seine Freude hat. Es braucht uns diese Anerkennung aber nicht zu sehr zu Kopf zu steigen, denn wenn wir auch das Urteil im allgemeinen als zutreffend erachten und darüber gern quittieren, so erkennen wir doch bald, daß wir auch von den Fehlern unsrer Tugenden nicht freizusprechen sind. Dialektfrei in der Aussprache - das hat gewiß mancherlei für sich und schließt eine Menge von Unarten aus, die wir sonst wohl oder übel in den Kauf nehmen müssen, es bedingt nur diese Korrektheit und vor allem der Mangel an Modulation zugleich eine gewisse Mattigkeit, eine farblose Gleichförmigkeit, die etwas starres und lebloses hat. Nicht den Berliner oder Saschen nehmen wir zum Gegenpart, um uns mit ihm zu vergleichen, sondern etwa den Rheinländer, den Bayern, den Niederösterreicher oder auch den Niederdeutschen mit seinem Platt. Wie kernig und lebensvoll, wie voller Saft und Kraft, voll farbiger Nuancen mutet uns da jedes Wort, jeder Satz an, wogegen, bei unsrem Mangel an Akzentuierung, unsre gleichförmige, kaum je im Ton sich hebende oder senkende Rede sich daneben wie ein blutleerer Schatten ausnimmt. Wo das vielleicht weniger zutrifft, wie beim Kurländer, können wir ihn dieserhalb nicht beneiden, da der Tonfall hier etwas gezwungenes und unschönes hat. Der Kurländer spricht mit einem Knie oder Knix, wie jemand das bezeichnete, indem er stereotyp bei der Schlußsilbe des Satzes ruckweise aus der höheren Tonlage in die tiefere Terze einknickt. In der Vokalisierung aber und in der Aussprache einiger Konsonanten lehnt er sich sehr zum Nachteil des Wohlklanges an das Lettische an. Noch viel auffallender und unschöner ist das bei der prononcierten Sprechart der Estländer und Oeselaner in Bezug auf das Estnische der Fall, so daß wir wohl ohne Bedenken der ausgeglicheneren Sprache des [77] Rigensers und Livländers den Vorrang vor ihren Heimatgenossen einzuräumen haben, wiewohl auch sie von manchen Unarten nicht frei sind, die wir zum Teil gleichfalls auf das Konto der Anlehnung an die Landessprachen zu setzen haben.
Nun in specie die Aussprache des Rigensers:
Das o lautet hier häufig offener, als sonst gebräuchlich, namentlich vor dem Buchstaben r, also bei vor, Tor, Chor, verloren, geboren, wo man in der Provinz das geschlossene o hört.
Das a in dem Mitlaut au ist gleichfalls hier breiter und offener, als im Lande sonst; es hält etwa die Mitte zwischen dem sächsischen au, indem das u kaum mittönt, und dem livländischen dunkleren au, das fast wie „ou“ lautet. Danach ist beim Leipziger die „Fraa zu Haase“, beim Rigenser die Fra-u zu Ha-use, beim Livländer die „Frou zu House“. Diese letzte Aussprache kann wohl als die richtigere gelten. Im Alt- und Mittelhochdeutschen, wie noch heute im größeren Teil Deutschlands, hat das au die dunkle Färbung, Frau im Althochdeutschen, das Femininum von „Fro“, der Herr (das uns noch in Frohndienst und Frohnleichnam erhalten ist) lautete Frouwe - Herrin. Frau und Haus werden im Dialekt zu „Frau“ und „Hus“ - nie zu Fra und Has; im Französischen wandelt sich au in o und ou in u. Mithin überall ein Vorwalten des dunkleren Tones in der Aussprache.
Das „ch“ vor dem a wird guttural gesprochen, auch wo es in der Stammsilbe weich lautet, so bei den Eigennamen Richard, Reichardt, Borchardt, Burchardt. Es klingt hier überall wie ch vor o und u und wie in den Fremdwörtern (Bachanal, Astrachan).
Auffallend ist in Riga die inkorrekte Aussprache des Französischen. Man betont bisweilen die erste statt des letzten Silbe - Páletot für Paletót, negligiert den Nasallaut und das harte S im Anlaut - Salong für Salon, spricht das in wie en - cenquime und Pencenez - für cinquime und Pincenez, läßt beim Gebrauch von Fremdwörtern Buchstaben aus oder verstellt sie - kompelziert und pubbelziert hören wir oft statt kompliziert und publiziert. Gewiß sind das alles meist Nachlässigkeiten und Flüchtigkeiten, auf denen wir Balten uns alle im täglichen Gespräch vielfach ertappen können.
Zum Schluß aber müssen wir, um mit „Wippchen“ zu reden, die Rigaer Zunge noch an ihrer Achillesferse treffen.
[78] Der Rigenser zieht nämlich garnicht „über Düna - ins Grüne“, wie wir dessen zu Anfang unsrer Plauderei erwähnten, sondern „ieber Diena - ins Griene“. Ist es hier im Friehling schon scheen, so kann man sich bei gliehender Hitze und Schwielen Sommertagen nirgends anders so wohl fiehlen. Man bleibt dann auch im Grienen bis in den August hinein, wo die Winde kiehler wehen, die Tage kirzer und die Abende diesterer werden.
Haben wir so unsern Mitbürgern ein kleines Sündenregister vorgehalten, so fordert die Gerechtigkeit, daß wir ihnen im Großen und Ganzen das Zeugnis ausstellen müssen, daß sie sich in Tonfall und Aussprache von mancher Unart freigehalten haben, die ihren Heimatgenossen anhaften. Das Kurländerdeutsch hat viel mehr vom lettischen Klang - man rufe sich nur ins Gedächtnis die mit weichem s gesprochenen „Ausdritje“ - „Flosbritje“ und „Grasmitje“, die immerhin in Riga mit scharfem „s“ „Floßbricke“ und „Grasmicke“ lauten. Also 3 Anlehnungen an das Lettische beim Kurländer, gegen eine beim Rigenser, denn daß das scharfe i für ü wie das ee für ö dem Landesidiom nachgebildet ist, scheint auf der Hand zu liegen, da das Lettische die Umlaute ö und ü nicht kennt, während sie im nordlivländischen Deutsch intakt bleiben konnten, da auch dem Estnischen beide Umlaute, und zwar in reichem Maße und in vollem und prägnantem Klange eigen sind.
An auffälligsten und fremdartigstem aber klingt zweifellos das Deutsch der Estländer und Oeselaner, wobei es natürlich viele Abstufungen gibt.
Der Este, im Besitz einer volltönenden, vokalreichen Sprache, die sich eines eigenartigen, besonderen Wohlklangs rühmen darf, ist für den Rapport mit andern Idiomen überaus dürftig und mangelhaft ausgestattet. Seine Bemühungen, sich die fremde Sprache anzueignen, mißglücken nur zu leicht, und seine Entlehnungen aus ihr werden zu auffälligen Verstümmelungen. Es erklärt sich das aus der merkwürdigen Eigenart des Estnischen, das ja überdies einem fremden Sprachstamm angehört. Es kennt erstens einmal kein H, ebensowenig ein weiches S im Anlaut, verfügt über keinen einzigen Zischlaut, und entbehrt endlich, was am wunderbarsten ist, auch des F-Lautes.
Man kann sich danach eine Vorstellung davon machen, in welch hilfloser Lage sich der ungeübte Este befindet und welches [79] Kauderwelsch sich - um mich eines beliebten gequetschten Ausdrucks zu bedienen - dem Gehege seiner Zähne entringt, wenn er die ersten verzweifelten Versuche macht, das Deutsche und Russische zu radebrechen. Das H läßt er fort oder haucht es mühsam hervor, wo es nicht hingehört. Mit den Zischlauten ist er ebenso übel dran, er streicht sie einfach oder ersetzt sie durch ein scharfes S, das überall herhalten muß, auch für das weiche S im Deutschen. Wie geht es? - „Sso sselbtig, liebe Err - ich andel jetz mit Heier!“ Das F wird zum W, wie es in der „Oberpahlschen Freundschaft“ heißt: „Da nahm ich Wuchs mit lange Wanz.“ Nimmt man dazu das gequetschte dünne ei, das bei seiner häufigen Wiederkehr besonders häßlich mit hineinklingt, so begreift sich leicht, daß an grotesker, unfreiwilliger Komik Jeannot von Dünakant dem geborenen Esten im Stammelstadium seines Halbdeutsch nicht das Wasser reichen kann.
Wo nun das ostseeprovinziale Deutsch sich in Vokalisierung und Akzentuierung dem Estnischen anlehnt, oder gar dem estnischen Halbdeutsch mit dem mißtönenden ei-Laut und dem scharfen S, ist die kakophone Wirkung geradezu verheerend und es klingt das übrige Baltendeutsch, verglichen mit der Sprache vieler Estländer auch aus der besseren Gesellschaftsklasse, wie reine Musik.
Der Rigenser, der natürlich von diesen Unarten frei ist, hat überdies gegenüber dem Livländer eine wohllautendere Aussprache des „e“, das er in den Wörtern: Pferd, Meer, leer, schwer, er, wie ein gedehntes „eh“, nicht mit dem breiten ä-Laut spricht. Hierin macht er mit dem einzigen Wort „Beere“ eine Ausnahme, so daß bei „Erdbeere“ die Konfusion ihren Höhepunkt erreicht, da die beliebte Gartenfrucht beim Nordlivländer „Ärdbehre“, beim Rigenser aber „Ehrdbäre“ lautet.

Pokorny 1927, 100
Wie ich höre, führt Sievers die ostpreußische und baltische Intonation auf litauisches Substrat zurück. [sonst nichts dazu]

Krüger 1832, 322, 323
Namentlich ist das mit Recht so gerühmte ei des kurländischen Deutschen ein unverkennbarer Gewinn aus dem Lettischen. Denn schon in Nimmersatt fängt das häßliche ainer, kainer, ich maine sich an; und im Lettischen macht bekanntlich das ei und ai oft eine empfindliche Verschiedenheit des Begriffs aus.
... daß ein feines ei hier ganz zu Hause sind...

Krüger 1832, 324f.
2) Der Vocal, der nach der Vermehrung nothwendig lang ist (z.B. trugen, Hofes, Betruges) müßte es auch schon vor derselben seyn. Dem entgegen spricht man hier Betruck, Kluckheit, Tack, Krick (Krieg und dennoch Sieg?), Weck, er zohk, sie truken ihn.
Aber auch, wo es für andere Gegenden noch weniger zweifelhaft ist, liebt man hier den unrichtigen kurzen Vocal. Hutt, pl. Hitte; Tuch(ch), pl. Tichcher; Buch(ch), Bichcher; Fuchchen, Kuchchen, ruffen, beruffen, widderschon (st. schon wieder); eben so Fridderich, lidderich, Luddewig (und dennoch nicht Luddolph?).

Gutzeit 1864, 223
ei. In Estland soll die Aussprache dieses Doppellautes dem russischen ähnlich sein, nach 322. Dem wird im Inlande 1861. 4 widersprochen und behauptet, sie käme höchstens ausnahmsweise vor und sei allgemeiner im lettischen Theile Livlands. Gegen letzte Angabe werden wiederum Livländer streiten, und gewiss mit Recht, da ein Zerdehnen der Doppellaute in Livland ganz ungewönlich ist. Wir haben gesehn, wie sehr die Ansichten über die hier übliche Aussprache des e auseinander gehn. So geht es auch mit dem scharfen s der Estländer. Nachdem durchweg die Meinung gegolten hatte, dass dies scharfe s den Estländern eigentümlich und estnischem (nach Andern schwedischem) Einflusse zuzuschreiben sei, wird nun im Inlande 1861. 4 behauptet, dass die scharfe Aussprache des s nur in Reval und den Städten, nicht aber auf dem Lande Estlands vorkomme, und dieselbe dem vom Lande kommenden Estländer nicht minder auffalle als dem Fremden!

Krüger 1832, 327f.
[Intonation]: Eben so scheint mir das ermunternde und muthige Betonen zu Anfange der Frage ein Eigenthum des Nordens, wogegen z.B. der Holsteiner immer nach dem Ende hin singt und seine Frage halb bittend halb zweifelnd schließt. Man lasse Beide nach einander sagen „wäre Ihnen nicht noch etwas gefällig?“ so wird man des auffallenden Unterschiedes inne werden.
11) [Entrundung] Gleich dem Braunschweiger, Obersachsen und Preußen, haben auch wir hier kein ö und ü. Löhnen und Lehnen, Bühne und Biene, Züge und Ziege, gesünder und Gesinder (besser Gesinde), Gerücht und Gericht sind in unserer Mundart einerley; so wie Heulen und Heilen; woher ich auch schon Feuertage statt Feiertage gelesen habe, als ob durchaus canoniert werden müßte. Der Kurländer kann zwar besser weinen, reisen, verweilen, beneiden: aber er kann nicht richtig steuern, erneuern, säumen, läuten und Läutern. Unsern Leyern fehlen die Saiten, und auf Romulus Unkosten bewundern wir den Ruhm der remischen Remer, wofür Remus uns zu danken hat. Auch Culeur, Colehr (couleur) ist nicht so gar selten.

Krüger 1832, 328
[hyperkorrekte Rundung]: Ehe ich zum zweiten Kapitel übergehe, berühre ich nur noch Eine Sonderbarkeit. Wie die Halbwisserey immer am meisten wagt; so giebt es auch unter denen, die vom verfehlten ü gehört haben und das Französische wenig kennen, solche, die nun jedes i zum ü machen: vingt-süx, düx, düx-huit, dückes geküpertes Zeug u.s.f. Aehnlich ist Düadöhm (Diadem(; auf Oehre, mein Löhrer war ein röthlicher (redlicher) Mann.

Eckardt 1904, 327f.

Stegmann von Pritzwald 1952, 415
[Entrundung]

ausziehen V [h/s]
1. Vi 'hinausziehen zum Sommeraufenthalt'
sind Sie schon ausgezogen?
ich werde bald ausziehen
sie sind im Ausziehen 'ziehen eben jetzt aus'
die früh Ausgezogenen 'die früh zum Sommer aufs Land zogen'
vgl anziehen
2. Vi de ausspielen (im Kartenspiel, Schachspiel)
3. Vi 'so lange ziehen, bis der Wohlgeschmack verloren ist' de ziehen (vom Tee)
der Thee ist ganz ausgezogen 'hat zu lange gezogen und ist dadurch widrig von Geschmack'
der Thee zieht gut aus 'hat viele Bestandteile, die sich dem Wasser schnell mittheilen'
der Thee wird ausziehn, wenn er noch länger auf der Theemaschine bleiben wird 'sein Arom verlieren'
4. Vi 'weichen, das Salzige und Rauchige verlieren'
man schneidet geräucherten Lachs in kleine Scheibchen, und lässt sie in etwas Milch ausziehen
5. Vi 'nach dem Heizen kalt werden'
dieser Ofen zieht schnell aus 'wird bald kalt, da er durch den Spelt schlecht geschlossen ist'
ein Zimmer zieht schnell aus, wenn Zug gemacht wird
die Küche zieht schnell aus, wenn die Klappe ungeschlossen bleibt
6. Vi de davoneilen
7. Vt de auseinanderziehen
vor diesem Tränken der Druckbogen mit Leimwasser müssen die Lagen des Buchs bogenweise aus- (d.h. auseinander) gezogen werden
8. Vr 'die Kleider abtun' de sich auskleiden
während nun meine Hausfrau das Bett macht und ich mich abkleide, kömmt der Statthalter ausgezogen (im Nachtkleide) herunter
vgl anziehen
9. Vt
ein ausgezogener Tisch
10. Vt
die Tösen u. aus den Kellern ausgezogene Röhren sollen abgeschafft werden

QUELLEN

Gutzeit 1859, 91
ausziehen 1) hinausziehen zum Sommeraufenthalt, von der Stadt aufs Land. Sind Sie schon ausgezogen? ich ziehe heute aus; ich werde bald ausziehen. Sie sind im Ausziehen: ziehen eben jetzt aus. Die früh Ausgezogenen, die früh zum Sommer aufs Land zogen. - 2) im Kartenspiel, Schachspiel, ausspielen. 3) vom Thee. Der Thee ist ganz ausgezogen: hat zu lange gezogen und ist dadurch widrig von Geschmack. Der Thee zieht gut aus: hat viele Bestandtheile, die sich dem Wasser schnell mittheilen; der Thee wird ausziehn, wenn er noch länger auf der Theemaschine bleiben wird: sein Arom verlieren. 4) Man schneidet geräucherten Lachs in kleine Scheibchen, und lässt sie in etwas Milch ausziehen, 155. S. 175 der 2ten Aufl., st. weichen, das Salzige und Rauchige verlieren. Ebenda S. 155 und 190, und öfters. Vgl. Grimm unter ausziehen 7 u. 12. 5) von Öfen, Küchen, Stuben. Dieser Ofen zieht schnell aus: wird bald kalt, da er durch den Spelt schlecht geschlossen ist; ein Zimmer zieht schnell aus, wenn Zug gemacht wird; die Küche zieht schnell aus, wenn die Klappe ungeschlossen bleibt. 6) davon eilen, bei Grimm nur von Thieren. Hier gewöhnlicher von Menschen.

Sallmann 1880, 95
ausziehen von Thee, so lange ziehen, bis der Wohlgeschmack verloren ist.

Gutzeit 1886, 94
ausziehen 7) auseinanderziehen. Vor diesem Tränken der Druckbogen mit Leimwasser müssen die Lagen des Buchs bogenweise aus- (d.h. auseinander) gezogen werden, 395. VIII. 377. Bei Buchbindern. Zu Grimms Wtb. 8. - 8) ausziehen sich, die Kleider abtun, sich auskleiden. Während nun meine Hausfrau das Bett macht und ich mich abkleide, kömmt der Statthalter ausgezogen (im Nachtkleide) herunter, 344. II. 175-6. J. 1597. vgl. Grimms Wtb. 1. - 9) ein ausgezogener Tisch, Schragen d. rig. Tischler v. 1541 u. 1729. - 10) die Tösen u. aus den Kellern ausgezogene Röhren sollen abgeschafft werden, 291. 1. 4.


QUELLEN (Informanten)
Lange, Harald: Riga, Südlivland
ausziehen Ich ziehe mir die Füsse an, dann können wir gehen. = Strümpfe oder Stiefel anziehen.
ausziehen Ich ziehe mich aus = entkleide mich

auswittern V [h]
‣ Varianten: auswettern
Vt, Vi 'in freie Luft bringen, um sie vom Winde durchziehen zu lassen' et tuulutama; tuulduma
Kleider, Bettzeug, Pelze auswittern (lassen)

QUELLEN

Gutzeit 1859, 90
auswittern Gadebusch (151) erklärt: Kleider, Bettzeug, Pelze in freie Luft bringen, um sie vom Winde durchziehen zu lassen: auswettern

Gutzeit 1886, 93
auswittern Pelze auswittern lassen, in Riga wie bei Gadebusch (151) noch heute.

auswünschen V [h]
1. Vt 'aus dem Zimmer fort wünschen'
ich wünsche ihn aus zu allen Teufeln
2. Vr 'wünschen, das Haus verlassen zu dürfen'
ich wünschte mich nun wol heute aus, gnädige Frau
3. Vi 'zu Stuhl wünschen'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 90f.
auswünschen 1) Jemand aus dem Zimmer fort wünschen. Ich wünsche ihn aus zu allen Teufeln. 2) sich, wünschen, das Haus verlassen zu dürfen. Besonders von Dienstboten. Ich wünschte mich nun wol heute aus, gnädige Frau. 3) was auswollen, Nr. 5.

Sallmann 1880, 91
auswünschen zu Stuhl, von Haus wünschen.

Babchen2 das
{engl. babe}
1. 'kleines Kindchen' de Knirps; et põnn
2. 'kleines scharlachrotes Erdkäferchen' de Samtmilbe, Erdkäferchen, Ackermännchen; et sametlest, taevalehm

QUELLEN

Gutzeit 1859, 92
Babchen, das, ("), 1) Kleines Kindchen, engl. babe; 2) ein kleines scharlachrothes Erdkäferchen.

???, 326
In Betracht kommen verschiedene Trombidiiden-Arten, verhältnismäßig große, schnell laufende, samtartig erscheinende, scharlachrote und deshalb (besonders auf frisch umgegrabenen Ackerboden) leicht erkennbare Tiere, die auch als Samtmilben, Erdmilben, Samtspinne, Sammetkränkerchen, Scharlachrotes Erdkäferchen und Ackermännchen bezeichnet werden.
Ma.: Godskoh (schl.-holst.), Himmelskuh (Pinsgau) Glückspinne (Mecklenburg).
Ma.: heute: Unflot (Schlesien, Kr. Strelen), Herrgottskissche (von Kissen - Saargeb. - Der Name wurde für „Rote Spinne“ gemeldet, bezieht sich aber wahrscheinlich nicht auf Tetranychiden, sondern auf Trombidiiden).
engl.: harvest mite, chiggar, red bug, chigger mite
franz.: aoutat, rouget, bête rouge
span.: trombidio rojo
holl.: Oogstmijt, Fluwemijeten, Rodd Aardspinnetje

Bäche die
‣ Varianten: Bach, Beche, Beke
{mnd. bēke, beke 'Bach'}
de Bach; Fluss; et oja; jõgi; lv strauts
auf der Fellinschen Bäche geschlagene Wehren
Kursche Beche 'die Aa'

DAZU:
KOMM: Es gibt in Kurland eine Menge Gutsnamen, welche aus Bäch- und Hof zusammengesetzt sind. Solcher Bächhof's gibt es fast in jeder Hauptmannschaft.

QUELLEN

Bergmann 1785, 6
die Bäche, der Bach, das Flüschen

Krüger 1832, 333
Bäche, f. a) Aus dem Plattdeutschen, das weiland hier herrschte: start der Bach, die Bäche, im Singular (Behk); start kriechen, kraufen (kruhpen); start Schrank, Schaff (Schapp); jo mehr, jo besser; binahe; start heil, ganz, heel; eben daher noch in Seeplätzen und alten guten Häusern, du hest (hattest), ich müßt’, könnt’, z.B. ich könnt’ nicht komme, ich hätt kein Zeit nicht, denn mein Vater hätt mir nöthig, ich müßt für ihm ausgehn. Daher vermuthlich auch warten für erwarten. Ich varte ihn längust, aber noch kann ich ihn nicht erwarten: man meint also, daß im Erwarten der Erfolg des Wartens mit ausgedrückt sey, welches doch die Bildungssylbe er gar nicht imme rin sich faßt; z.B. erzählen, ersuchen, erfordern. Deshalb muß auch eine künftige Wöchnerin sich so lange warten, bis sie sich in der Entbindung erwartet hat. Ein sinnreicher Irrthum, den das falsch gedeutete Plattdeutsch verschuldet.

Gutzeit 1859, 92
Bäche s. Bach

Gutzeit 1886, 96
Bäche st. Bach. Auf der Fellinschen Bäche geschlagene Wehren, Privil. d. Stadt Fellin v. 1662 in 192. I. 157. - In Kurland ist der Ausdruck noch gewönlich; es gibt dort eine Menge Gutsnamen, welche aus Bäch- und Hof zusammengesetzt sind. Solcher Bächhof's gibt es fast in jeder Hauptmannschaft.

Seemann von Jesersky 1913, 103
Bäche oder Beche, Bach. Kursche Beche: die Aa

Masing 1926b, 21, 41
Beche (jetzt nur noch vlg.) „Bach“ ist die verhochdeutschte Form für mnd. bēk.
Die Bäche (heute nur noch vlg.) „Bach, Fluss“ (mnd. de bēke).

Wiget 1927, 4, 11, 13
Bäche früher durchaus literarisch (s. Gutzeit)
Die Kürze des baltd. Vokals ... stammt offenbar aus der Zusammensetzung in hd. Flußnamen wie Embeke, Dotbeke, Kaffenbeke, Lupschenbeke, Meißenbeke usw. Hier konnte das e in unbetonter Stellung gekürzt werden. Und gerade in solchen Namen hat sich das Wort am längsten erhalten: Irbe Bäche, Stende Bäche, Rohje Bäche, Nabbel Bäche usw.
bd. nur fem., nd. auch mask.

Uustalu 1982, 151
[zitiert Gubert (17. Jh.] Bäche Wer solche Heuschlaͤge hat/ die eine halbe Meil von Fischteichen Baͤchen od. Seen liegen/ dadurch ein Flußlein laͤufft/ und die Baͤche oder See faͤllt... (12); mnd. beke f. u. m. 'Bach' (Sch.-L.; im Baltikum 'Fluß'. Da infolge der II. Lautverschiebung dem nd. k im Hd. h entspricht, gilt Bäche als verhochdeutschte Form von beke.

ballern V [h]
1. Vi 'ein polterndes Geräusch verursachen' de knallen, schießen; et paugutama, paukuma
das Geschütz, die Kanone ballert
es wird heute wieder geballert 'geschossen'
‣ Synonyme: bollern, bullern
2. Vt, Vi 'mit Gewalt und Geräusch schlagen oder werfen' de schlagen (mit Fäusten), werfen, stoßen; et põrutama, virutama
er ballerte ihn gehörig
ballerte auf ihn los
ballerte ihn die Treppe hinunter
einen Stein an die Wand ballern
3. Vi 'mit Gepolter stürzen' de schlagen (gegen etwas), poltern; et prõmatama, mürtsatama
er ballerte mit dem Kopfe gegen die Wand
er ballerte die Treppe hinunter

QUELLEN

Gutzeit 1859, 96
ballern 1) ein polterndes Geräusch verursachen. Das Geschütz ballert; die Kanonen ballerten; es wird heute wieder geballert, geschossen. Gew. Vergl. bollern und bullern. 2) mit Fäusten schlagen. Er ballerte ihn gehörig, schlug ihn; ballerte ihn die Treppe hinunter; ballerte auf ihn los, schlug auf ihn. 3) zl. Er ballerte mit dem Kopfe gegen die Wand, stürzte; ballerte die Treppe hinunter, stürzte mit Gepolter; ballerte gegen die Thür.
Sehr gewöhnlich ist dies Wort auch in der Zusammensetzung mit hinunter, hinaus, durch, aus, ein, zu, los. Diese Zusammensetzungen lassen, ebenso wie das einfache Zw., die von Grimm angef. Bed. poltern kaum als ursprüngliche ansehen, sondern: schlagen. Bei Hoffmann fehlt dieses Wort und Grimm führt nur eine Stelle aus dem alten Schuppius an. Erinnert an βαλλειν.

Sallmann 1880, 28, 59
ballern ein lauttönendes Geräusch hervorbringen; tönend gegen etwas schlagen.
schlagen, daß es knallt; mit lautem Geräusch stürzen.

Gutzeit 1886, 102
ballern 1) schlagen, drauf losschlagen. Einen Stein an die Wand, mit Gewalt u. Geräusch werfen; auf einen los ballern, auf ihn losschlagen. - 2) schießen. Ihr habt gut geballert, 333. 23; es wurde tüchtig geballert, geschossen aus Kanonen oder Flinten. Erinnert an russ. палить; indess bezieht sich unser ballern eigentlich nur auf das Geräusch, ganz wie bollern u. bullern. Auch das brem. Wtb. erklärt ballern: ein lautschallendes Geräusch in der Luft machen.

Gutzeit 1894, 4
ballern Na, sagt H., indem er die Flinte ladet, ihr habt gut geballert. Wieviel Mal denn? 333. 23. J. 1817. s. Wörterschatz.

Seemann von Jesersky 1913, 104
ballern w. schießen, knallen

Masing 1926b, 48
ballern geräuschvoll gegen etwas schlagen, poltern (mnd. balderen; Brinckman „Kasper-Ohm“, Kap. VIII; Frischbier I, S. 52).

Bärnhüter der
‣ Varianten: Bärenhäuter

QUELLEN

Gutzeit 1886, 106
erklärt Lindner (480) aus dem in Livland verloren gegangenen Worte Bärn Kinder: einer der kleine Kinder hüten muß, woraus hernach Bärnheuter, einer der nicht viel taugt, ein Stümper, hervorgegangen ist. - Die heute angenommene Deutung ist von Bärenhaut, eigentlich einer der eine Bärenhaut trägt, dann: homo ignavus, nebulo; man könnte auch deuten: einer der auf der Bärenhaut liegt, Faullenzer. Wir in Riga sprechen heute wie in Lindners Zeit, Bärenhüter, aber auch Bärenhäuter. Bärenhüter ist in Grimms Wtb. dagegen nur d. Gestirn Bootes, arctophylax od. arcturus.

Baschlik der
‣ Varianten: Baschlick, Baschlig, Baschligk, Baschlyk
{russ. башлык 'Kapuze' Sallmann 1880, 10; Kobolt 1990, 60}
'Kapuze, deren lange Enden um den Hals geschlungen werden'
Nimm den Baschlik, es ist heute sehr kalt.

QUELLEN

Sallmann 1880, 10
Baschlig(k), m. die auch vom rußischen Militär im Winter getragene, über den Nachen zu ziehende Kopfbedeckung, deren Enden um den Hals geschlungen werden.

Vegesack 1935, 18
Baschlik eine warme Kapuze aus dunkelbraunem Stoff

Ariste 1938, 256
Baschlik, Baschlyk [bašlik] masc. 'capuchon qu'on porte pendant les grands froids, cache-nez également à Tartu' (d'après ... communication de M. E. Kobolt) ‹ russe башлык 'capuchon'. - Wiedemann, Estnisch-deutsches Wörterbuch, 389, 851.

???
Kapuze mit angeschnittenem Schal

Munier-Wroblewski 1958, 47
Baschlik eine Art Kapuze

Nottbeck 1987, 20
Baschlik (rus.) Kapuze mit Schal / E.K.
Nimm den Baschlik, es ist heute sehr kalt.

Kobolt 1990, 60
Baschlik mit betonter Endsilbe, m Kapuze, deren lange Enden um den Hals geschlungen werden.
russ. baschlyk 'Kapuze'

Bast2 der/die
‣ Varianten: Baste
'ein Flächenmaß von 35361 □ Ellen'
ein Bast hat 66 Faden
jeder Haken von 66 Basten misst 11 Bast in die Länge und 6 Bast in die Breite
36 bastas quatuar bastis (1432)
twintich bast gemetens landes (1436 Segwald)
teyn basten ghemetens buwacken (1457 Riga)
32 Bast (1474)
14 funes sive bastas terrae (1495 Riga)
decem bastas terrae ... 5 bastae (1508)
16 Bast Landes (1518)
XVij bast landes (1518)
von vyff bestenn landes ... und vefftehalvenn bast (1518 ...)
septem restes (1533 Hapsal)
... bast landes (1536 Hof Jumm...)

QUELLEN

Gutzeit 1859, 98
Bast ein Flächenmaß von 35361 □ Ellen. Der herrmeisterliche große Haken betrug 66 Basten. - Man findet der und die Bast, und der und die Baste. Eine liefl. Baste begriff 66 Faden, 179. II. 43; ein Bast hat 66 Faden; jeder Haken von 66 Basten misst 11 Bast in die Länge und 6 Bast in die Breite. 179. II. 44.

Gutzeit 1886, 107
Bast, der u. Baste, die. Ein Bast Landes ist 66 Faden (zu 3 Ellen) gerechnet, 350. XVIII. 5; in einem Bast Landes, d.h. einem Stück Landes, das 238 rig. Ellen im Umkreis hat, über 5 Lof Roggen säen, in einem Haken aber 8 Lof Roggen, ebda; ein alter livl. Haken soll in sich haben 66 gevierte Bast Landes, oder ein geviertes Sück Land, welches 11 Bast lang und 6 Bast breit ist, oder 748 Faden lang u. 408 F. breit, ebda; ein Haken Landes hält 66 Bäste, ebda. -
Die Baste hat ihren Namen von dem Baststricke, dessen man sich zum Messen bediente. Eine Quadratbaste hat 66 Faden im Quadrat, d.h. etwa 39,000 □ Ellen; 66 solcher Quadratbasten machen 180 Tonnstellen oder einen Haken, 355. S. 3 d. Einl. - Auch Strick genannt. Schiller-Lübben's mnd. Wtb. erklärt Bast Band oder Faden aus Baumrinde. Aus Lindenbast, ein Baststrick oder Bastenstrick? - In dem Privileg. Sig. Aug. vom 28. Nov. 1561 heißt es: ut ... quilibet uncus aut mansus agri, quem vulgo haken nominamus, sexaginta sex funes, sive, ut dicitur, bastas quarum bastarum quaelibet sexaginta sex Faden continet (dass ein jeder Hake oder Morgen Landes sechs u. sechzig Stricke, oder, wie man saget, Baste, deren Basten aber ein jeder sechs und sechzig Faden halten). Man ersieht, dass der lateinische Text das Wort weiblich, der deutsche männlich gibt. vgl. über „die“ Baste v. 99, 77, 66 u. 68 Faden Arndt II. S. 43. Anm. d. - Das russ. вервь im Sinne von Gebiet - eigentlich Strick - ist noch heute im Archangelschen gebräuchlich und bezeichnet ein Flächenmaß von 1800 □ Faden (Dahls russ. Wtb.). Mit Schnüren u. Ruten maßen übrigens alle Völker. So teilte Geiserich die Lande Zeugitana mit einer Schnur (funiculo) und ebenso (funiculo) Rollo die Normandie.

Bosse 1933
Bast - Längenmaß, meist 66 Faden. Als Geviertbast Bruchteil des Vermessungshakens.

Beerdigung die

QUELLEN

Gutzeit 1886, 117
Außer der gewöhnlichen Bed. 1) Versammlung zu einer Beerdigung. War es eine große Beerdigung? - Nein, eine kleine Beerdugung, d.h. die Menge der versammelten Leidtragenden (in der Kirche, im Hause) groß. klein. 2) Beerdigungsfeier. Die Beerdigung findet aus der Kirche, aus dem Hause, von der Kirche, vom Hause statt. Sallmann in 390c. 59 hat, für uns auffällig, findet die Beerdigung zu Hause oder in der Kirche statt? 3) Leichengefolge. Es war heute eine große, kleine Beerdigung, viel, wenig im Trauerzuge befindlicher Kutchen oder Wagen. In dieser Bed. ähnlich dem franz. enterrement 1) Bestattung; 2) Leichengefolge.

Beischlag der

QUELLEN

Bergmann 1785, 9
beyschlag (schwed. bislag) Altan (vor einem Hause über welchen man in das Haus gehet.)

Hupel 1795a, 23f.
(aus dem Schwed.) soll nach Bergm. Anzeige ein Altar seyn. Einige bezeichnen dadurch ein Obdach vor der Hausthür.

Gutzeit 1859, 112
schwed. bislag, ein Altan, nach Bg.; zuweilen auch ein Obdach vor der Hausthür, nach Hup. Nach Hoffm. bed. es Stufen oder einen Steinsitz vor dem Hause; nach Grimm was einem aufgeschlagenen Gebäude neben beigeschlagen wird, ein besonderes Fachwerk, eine stufenartige Erhöhung vor dem Hause u.s.w. In Hamburg noch jetzt; bei uns wol selbst die Benennung schon unbekannt.

Gutzeit 1886, 123
Nach W. Seidel (488.29) ein Ausbau von Stein od. Holz vor den Hausthüren. Oft führen mehrere Stufen hinauf u. dieser Platz diente in früherer Zeit dazu während des Sommers den Hausbewohnern den Genuß der frischen Luft zu verschaffen.“ In 350.XV.3. J. 1473 werden bylage erwänt. Brotze bemerkt dazu: „Byslag ist ein Sitz vor der Hausthür, u. hieß noch vor wenigen Jahren in Riga Beischlag. Es war eine Bank zu beiden Seiten der Thür, in der Stadt von Stein, in der Vorstadt von Holz. Noch jetzo (1798) ist ein solcher Beischlag bei dem Schwarzhäupterhause und einigen alten Häusern.“ Ausführliches über die Beischläge in Brotze's Denkmälern, im Inhaltsverzeichnis. - Die hochschädlichen Beischläge möchten abgeschafft werden, 336. - Vor Krugseingängen u. Gutshäusern noch heute.

Masing 1926b, 56
Beischlag „Bank aus Stein oder Holz vor der Haustür“ (mnd. bi-slah; Schumann, S. 20 Bislagg; Frischbier I, S.64)

Flügge-Kroenberg 1971, 10
Beyschlag. Damals als Ausdruck für „Altan“ gebräuchlich.

Berg der
de Hügel

QUELLEN

Hupel 1795a, 21
Berg, der, heißt bey uns jeder Hügel.

Possart 1846, 181
Berg heißt jeder Hügel.

Sallmann 1880, 116
auch von sehr geringen Erhöhungen, y.B. unter dem Berg wird von den Wohnungen in Katharinenthal gesagt, die unter den etwa 50 Fuß hohen Glint liegen. Man braucht die Bezeichnung selbst von Erhöhungen, die sind nicht über 10 Fuß erheben.

Gutzeit 1886, 130
In Livland auch kleinere Anhöhen. - Berg, schlechtweg, wurde ehemals oft der Kubsberg genannt. An ernanntem Tage sich des Ortes auf dem Berge enthalten, 174.1823.297 aus d. J. 1651. - Guts- u. Ortsnamen auf Berg tragen den Ton auf dem ersten Hauptwort. Krónenberg, Freúdenberg, Klíngenberg, Móritzberg, Hágensberg, Tórensberg, u.v.a.
Mit Bergen zusammengesetzte Namen haben d. Ton auf bergen. Hohenbérgen. Wenige. - Blaue Berge heißen mehrere Anhöhen in Kur-, Liv- u. Estland nahe Reval (die „hohen Häupter“) und bei Waiwara: die drei Blauberge, „weil sie dicht mit Bäumen bewaldet sind u. daher von Weitem ein blaues Ansehen haben. Von den Schiffern werden sie „die drei Brüder“ genannt. J.B.Fischer in 376 ... In Livland ist bekannt ein Blauberg im Wolmarschen, welcher noch heute eine abergläubische Verehrung genießen soll; auf Ösel ein Blauberg im Selburgschen Kurlands. Die Bezeichnung blau, vermutlich, wie schon J.B.Fischer angab, von der bläulichen Färbung, welche entfernte u. mit Nadelholz bewachsene Höhen in der Entfernung zeigen. Der Blauberg bei Wolmar heißt lettisch Sillekalns, die blauen Berge im Dondangenschen bei Schliterhof dagegen slihtern-Kalni.

Eckardt 1904, 67
-berg. Der Freigebigkeit der Bewohner des Flachlandes insgemein und unsrer Ostseeprovinzialen insbesondere, jede kleinste Bodenerhebung mit Berg, Kaln und Mäggi zu kennzeichnen, verdanken wir auch eine Reihe von Ortsnamen, die den Uneingeweihten zur Annahme verleiten könnte, unser gutes Riga trage einen alpinen Charakter - fehlt es uns doch nicht an Thorensberg, Hagensberg, den Lämmerbergen, Alexandershöhe, Rothenberg, Griesenberg und unsrem beliebten Basteiberg.


QUELLEN (Informanten)

der Berg - 'Gutshaus'. Ich gehe auf den Berg = 'Ich gehe zum Gutshaus' vom Estn. Kibbijarv / Kr. Dorpat

Berkowetz das
{russ. бéрковецъ 'Schiffspfund = 40 Pud' Sallmann 1880, 10}

QUELLEN

Sallmann 1880, 10
Berkowez (its), m. rußisches Schiffspfund, = 40 Pfund, bei uns als neutr. gebraucht.

Eckhardt 1896, 27
Bérkowez m.

Kiparsky 1936, 147
Berkowetz, Berkowitz [bérkovəts] n. 'russisches Schiffspfund = 40 Pud' ‹ r. бéрковецъ id. - Sallmann V. 9; N. 10. Das heute fast verschollene Wort war im 18.-19. Jh. im ganzen Baltikum bekannt und kommt schon im J. 1446 in einer Polozker Urkunde als berkofszki vor (UB. I, 10, 129).

Anderson 1938, 147
ein Berkowetz enthält nicht 40, sondern nur 10 Pud. Derselbe sonderbare Fehler übrigens auch bei Sallmann N. 10 und in Miklosichs Etymol. Wb.

Kobolt 1990, 63
russisches Schiffspfund
Gr. Brockhaus: Berkowetz 10 Pud bzw. 400 Pfund bzw. 163 kg.

berufen V [h]
Vt
siehe auch ha

QUELLEN

Gutzeit 1859, 119
berufen 1) einen wegen etwas, ihm durch Zurufen Unzufriedenheit ausdrücken, ihm durch Zuruf bedeuten, etwas nicht zu thun. Wenn ein Schüler während des Unterrichts sich zu laut verhält, so beruft ihn der Lehrer od. so wird er berufen; wenn die Tochter krumm auf einem Stul sitzt, so ruft die Mutter ihr zu: Kind, wie sitzest du! und beruft sie. Welche Schande, die jüngere Schwester muss die ältere beruftn, d.h. ihr andeuten, dies oder jenes nicht zu thun. Der Lehrer berief den Knaben, dass er nichtr soviel plaudere: er berief die Kinder, dass der Vatere schlafen könnte. - Man beruft wegen einer Handlung, wegen eines Wortes, wegen unruhigen, ungebürlichen Betragens. Bei Hoffm. fehlt diese hier gewöhnliche Bed. ganz; Grimm zieht als hierher gehörig aus Goethe einige Stellen an, welche aber doch nur ähnlichen Sinn geben. Denn wegen einer Flasche, wegen einsamer Spaziergänge, über eine gewisse Würde, wegen einer geringen Zustimmung beruft man bei uns nicht Freunde, sondern tadelt sie dafür, setzt sie zur Ruhe. -
2) einen Bär od. Wolf. Jagdausdruck, den schon Stender anf. Vom „Berufen des Wildes“ sollte in der Baumann-Kriese'schen Jagdlehre gehandelt werden. vgl. 176.1827.60.

Sallmann 1880
berufen durch strafenden Zuruf schaden

Gutzeit 1886, 131
berufen 2) Es wird ein Fuchs berufen, 333.25; erschoß ein Pferd und berief es als geschossenes Elen, 332.V.6; ein allgemeines fröhliches Berufen endete dem ersten Akt des Lustspiels, Kriese in 175.1848.359, d.h. des ersten Jagderfolges (ein getödteter Fuchs). -
3) das Amt durch den Ältermann berufen lassen, 249; durch den Landboten berufen werden, Hilcher's Landr. Entw. v. 1599. [?]

Gutzeit 1892b, 8
berufen Herren und Diener ritten (auf der Jagd) bald durch einander und jagten vorbei, um dem Zuge des Wildes vorzukommen, welches von jedem, der es sah oder nicht traf mit lautem Rufen bezeichnet werden mußte (berufen), damit man wisse, was gejagt werde und die Hunde animirt würden, E.v.Rechenberg-Linten, Zustände Kurlands S. 41; zum obgedachten „Berufen“ des Wildes wurden eigentümliche Ausdrücke gebraucht und zwar für einen Hasen - „Halet“. Ebenda S. 42. vgl. Wörterschatz.

Gutzeit 1894, 6
berufen Nicht berufen! d.h. durch lebende Bemerkungen dem Gelobten Schaden zufügen, Krankhaft heraufbeschwören. In Grimms Wtb.: unberufen.
Als Jagdausdruck. vgl. Wörterschatz I und Nachträge von 1886 und 1892. Damit die Schützen, sowie der die Jagd führende Jäger, der Piqueur, sich darnach richten können, muß jeder Schütze jedes Wild, auf das er einen Schuß abgegeben hat, oder dessen er auch nur ansichtig geworden ist, berufen, und zwar mit der für jede Wildart vorgeschriebenen Benennung. Die Benennungen für die verschiedenen Wildarten sind jagdgebräuchlich folgende: der Bär wird berufen mit „ho Bär“, der Wolf „ho Schabar“, das Elen „ho Lang“, der Luchs „ho Bunt“, das Reh ha flink“, der Fuchs „ha Fuhl“, der Hase „ha lett“, der Dachs „ha Gräber“. Baron F. Nolde, Jagd und Hege, II.82. S., der bei einer Elensjagd sein eigenes gesatteltes Pferd, so sich losgerissen hatte, statt eines Elens, erschoß, und es auch als geschossenes Elen berief!! Eine Augenverblendung! 332.III.

???
Wenn ein alter baltischer Jäger hören würde, daß man heutzutage von einer Treiberwehr spricht, die im dritten oder vierten Treiben sich gut gehalten, so würde besagter alter baltischer Jäger wohl mit einem herzhaften Dojahn zur Hand sein und erklären, daß es wohl „Juchzer“ und „Masten“, nicht aber Treiberwehren und Treiber gibt. Der alte baltische Jäger weiß, daß man die Hunde „treddete“ und daß sie, wenn sie richtig getreddet waren, bald das Wild „hoben“, so daß die „Skrauja“ losging. Es war eine Wonne und eine Lust, die „grob und fein gehälsten“ Hunde zu hören und zum Schuß zu kommen. Wer „pudelte“, mußte das Wild „berufen“, damit die anderen wußten, woran sie sind. Das Berufen wird heute, wenn noch, so doch falsch geübt. Man ruft, welches Wild es auch sei, „Halet“, während dieser Beruf nur auf Hasen angewendet werden darf. Der Fuchs wird mit „Haful“, das Elen mit „Halang“, der Wolf mit „Hasachabah“, das Reh mit „Haflick“ berufen. Woher diese Berufe stammen, wie sie sprachkundlich erklärt werden könnten, mögen die Götter wissen. Der Jäger kümmert sich nicht um die Entstehung der rätselhaften Berufe, er wendet sie an, ohne sich Kopfschmerzen darüber zu machen. Wenn er einen Hasen im Lager „versieht“, dann ruft er „Haurumquit“, und wenn der Hase flüchtig wird, dann schmettert er sedin „Haurum“ und man weiß, was die Glocke geschlagen hat.

Kobolt 1990, 64
berufen st.V. zur (schulischen) Ordnung rufen
mnd. beropen 'ersuchen, schelten'; plattd. beroupen 'anrufen und erinnern'.

beschworken Adj
‣ Belege: Bauske

DAZU:
vgl beschwörken

QUELLEN

Hupel 1795a, 21
beschworken, d.i. be- oder umwölkt, z.B. der Himmel ist beschworken

Petri 1802, 98
schworken, beschworken, für bewölkt, mit Wolken umzogen, z.B. der Himmel ist heute beschworken, d.i. umwölkt.

Sallmann 1880, 29, 98
beschworken adj. mit Wolken überzogen, nd. besworken, von mnd. swerk, swark 'dunkeles Gewölk, as. suerkan 'finster werden', ags. svearcan. Uns von Kurland gekommen
beschworken, intr. mit Woölken sich überziehen; 2.part. beschworken 'mit Wolken überzogen.

???, 395
In Zs des Allg. Dt. Sprachvereins 25, 1910, 395 als baltisch notiert.

Seemann von Jesersky 1913, 105
o. bewölkt mit Gewitterwolken.

Mitzka 1923, 19
bewölkt

Masing 1926b, 39
bewölkt (mnd. besworken; Schumann, S. 31 Swaark 'dunkle Gewitterwolke': Frischbier I, S. 75.)

HWbGA 1936, 202
bewölkt, nd. Rest


QUELLEN (Informanten)
Weiss, Lis-Marie: Reval
unbekannt

Tode, (Jo)hanna: Riga
es beschworkt sich - der Himmel bezieht sich. Kurland, Libau.


beschworken, beschworkt - bewölkt. WL 1,3. Vielleicht jüd. Herkunft, bekannt in Kurland und Riga, aber anscheinend hauptsächlich von „Kleindeutschen“ gebraucht.

Engelhardt, Scipio, Baron von: Kurland, Gut Lautzen, Kreis Illuxt.
beschworken - bewölkt, z.B. der Himmel ist beschworken. sehr alter Ausdruck!

Besen der

QUELLEN

Masing 1924-1926, 409
Besen (Prostituierte)
1) Besen (studentisch. Im Konventsprotokoll der „Fraternitas Rigensis“ vom 6. März 1835 heisst es zur Vorgeschichte einer studentischen „Reisserei“: „Sie seien bei einem Besen zusammengetroffen ... K. ärgert sich über Besen, dass er bei seinem Besen ist ..." Neben dem Simplex viele Komposita: Kolb a.a.O. „Nach dem Takt der schönen Ecossaisen Tanzen dort zwei dicke Strassenbesen.“ Asmuss a.a.Ö. „Fick_, Jagdbesen.“ Vgl. Klenz S.34 „Saubesen“. Jetzt nicht mehr gebräuchlich.)
Besen (weibliche Dienstboten)
2) Besen (Studentisch; heute nicht mehr üblich. Bertram a.a.O. Seite 107. Klenz S. 23. Häufiger in anderen Bedeutungen.)

Martin 1933, 49
Nord-Baltikum: Wesenberg Bürste; Arensburg (Ösel) Bürste; Hapsal Handbesen; Reval Bürste (Dubl. Handbesen); Nömme Handbürste; Dorpat Handbürste; Narwa -; Walk Handbesen, Borstwisch; Werro Handbürste (Dubl. Handbesen); - Süd-Baltikum: Dubbeln Handbesen; Dünaburg Handbesen; Hirschenhof -; Lemsal Handbesen; Riga Handquast m., Feglisbürste (Dubl. Handbesen, Beschen; Feglisbürste, Handquast; Handbesen, Stöwerquast; Borstfeger; Handbesen, Handbesen; Handbesen, Dielenbürste, Handbürste); Winterfeld Handbesen; Wenden Handbesen; Wolmar Handbesen; - Kurland: Alt-Auta..? Handbesen, Handfeger; Frauenburg Besen; Ohseln (Goldingen) Staubbesen; Kimahlen Besen, Kehrwisch; Goldingen Handbesen (Dubl. Handbesen); Planetzen Besen; Neuhausen (Krs. Hasenpoth) Haarbesen Bürste, Hasenpoth Fegebürste; Libau Handbesen (Dubl. Handbesen, Handfeger, Dielenbürste); Kutzau (Krs. Libau) Bürste, Besen; Mitau Handbesen; Talsen Handbesen (Dubl. Bürste); Annahütte (Krs. Windau) Stubenbesen; Tuckum Handbesen; Windau Fegebürste.

besenden V [h]
Vt

QUELLEN

Gutzeit 1859, 123
1) Anhielt (verlangte), dass er dem Herrn Meister besenden möchte, dass er die Stadt schützen wollte, 195, im rothen Buch 751. d.h. zu ihm schicken. 2) einen mit etwas, beschicken.

Gutzeit 1886, 134
3) einen, zu ihm schicken, insbesondere um ihn zu begrüßen. Man scholde de tho Dunemunde bosenden und fragen lathen, 335.219. J. 1572; beschlossen, die Moskowiter darüber zu besenden, 297.116, Gesandte deswegen an sie zu schicken. - Nach Grotzes Erklärung: begrüßen lassen. In dieser Bed. öfters in 369a. J. 1558: Sonntag früh wurde der Erzbischof von dem Meister besendet, der sich entschuldigen ließ, daß er ihn gestern abend nicht besendet; der Meister besendete heute die von Riga. Da kam der Bischof von Dorpat (an); der Erzbischof besandte ihn; es kamen die Gesandten d. Bischofs von Kurland an; der Erzbischof besandte sie sogleich, um sich nach dem Bischof zu erkundigen.

Besuch der

QUELLEN

Hupel 1795a, 22
Besuch, der, hört man oft st. Gäste, z.B. er hat heute Besuch bei sich.

Gutzeit 1859, 127
Man spricht sehr gewöhnlich: auf Besuch gehen od. fahren, d.h. ausgehen oder ausfahren, um Besuche zu machen. Bei Grimm: zu Besuch gehen.

Gutzeit 1886, 139
Ich will einen kleinen Besuch machen, im Scherz: auf den Abtritt gehen. - Er ist bei mir zu Besuch, befindet sich bei mir als Gast, wont bei mir als Gast od. Angereis'ter. Dagegen: er ist auf Besuch bei N. d.h. befindet sich als Gast bei N. Das „zu“ deutet auf einen beim Sprechenden Anwesenden, das „auf“ auf einen Abwesenden. - Er ist zu Besuch aus, auf Besuch (abwesend).

Bewilligung die

QUELLEN

Gutzeit 1859, 131
Nicht blos, wie bei Grimm, concessio, sondern auch das Bewilligte. Diejenigen, welche diese (von dem Lande) geschehene Bewilligung restiren, 172. 1768. 139. - Bemerkenswert ist: darauf wurde Ao. 1585 eine allgemeine Bewilligung gemacht, wie es in Erwehlung der Rathsherren zu Riga und Dörpt solte gehalten werden, 221. 34. Die Randbemerkung sagt: Ordnung, wie es gehalten werden sollte.

Gutzeit 1886, 143
In Grimms Wtb. bemerkt: heute Bewilligung einer Gnade, einer Geldsumme. - Diese Bed. von Einwilligung auf die Leistung eines Geldbetrages u. dgl. u. weiter die Beisteuer selbst, in Livland schon lange. In demselben Jahre (1645) geschahe eine neue Bewilligung, die wiederum 62/3 Thaler vom Haken betrug. 157. II. 260.

biester Adj
‣ Varianten: bister

QUELLEN

Gutzeit 1859, 133
biester Nach Grimm ein von Möser unserer Schriftsprache zugebrachtes niederdeutsches Wort: verwirrt, sinnlos, wüst. In 42 heißt es: Gottes, der seine Gnaden-Stralen blicken lassen, da das Ansehen vor menschlichen Augen fast bister gewesen. Ferner in 194, R.R.d.J.E. 177: durch das so loegt das Recht unter dem Volk bister zu Hinderniss der Herschaft und des Landes. Der Herausgeber erklärt „irre“. In dieser Stelle, wie in der aus 42 angeführten, wird mit einfachem i geschrieben: eine Schreibung, von der Grimm nichts anführt.
Noch gegenwärtig hört man es in der Bedeutung von düster, dunkel, welche dem Begriff von irre, verwirrt, sinnlos verwandt ist, und an eine Verwandtschaft mit Bister, Russschwarz, franz. und engl. bistre denken lässt. Der Familienname Biester! Oelrichs (188) byster, obscurus, intricatus, und byster maken, verwirren, aus den Ritterrechten. Im Schwed. forbistra, verbistern.

Gutzeit 1886, 148
bister (-), ein nd. Wort, das in 2 Bed. bei uns zu bezeugen ist. 1) verwirrt, verworren, in livl. Urk. v. 1408. - 2) dunkel von Farbe, nicht durchscheinend. Das Was dat war byster, 406. J. 1539, das Wachs war dunkel von Farbe oder undurchscheinend. Diese letzte Bed., die auch heute, obgleich nicht häufig, begegnet: düster, dunkel ist dem Begriffe von irre, verwirrt, sinnlos verwandt. -
Das brem. Wtb. leitet „büster“, bister u. bisterlik ab vom uralten buste-Wüste ab, u. gibt als Bed. an: eigentlich wüst, wild fürchterlich, häßlich, sauer ausgehend. vgl. bistern.

Seemann von Jesersky 1913, 106
biester o.w. irre gehen; ver-, verstecken, abhanden kommen; sich v. auf eine Sache: sich steifen.

Kobolt 1990, 66
biester schw. V. eine Blähung ablassen
zu mnd. bister 'schlecht, unzüchtig, verwildert'; s. auch fiesten.

Bors der

QUELLEN

Gutzeit 1886, 163
Bors, der, Porsch. Arndt (179. II. 34) sagt: Man setze dem gesandten Italiäner gedorrten Jas und Bier vor, in welches Bors, ein bitteres Waldkraut, anstatt des Hopfens, geleget war. Nach einer fraglichen Urk. v. 1233. J-as ein noch jetzt in Dorpat bekannter Fisch, Leuciscus Jdus; Porsch noch heute in Bier getan, um es berauschend zu machen.

Börse

QUELLEN

Gutzeit 1886, 163
1) Börsenhaus. In der Börse zusammenkommen; 2) Börsengeschäft. Die Börse ist flau; 3) Börsenversammlung, Zusammenkunft der Kaufleute. Heute keine Börse. - In Zusammensetzungen oft st. Börsencomité, z.B. Börsendiener, Börsenunterstüctzung. _ In einer Festschrift: Zur Eröffnung der neuen Börse zu Königsberg 1875 heißt es: „die ersten eigentlichen Börsen scheinen in den Niederlanden entstanden zu sein u. dort auch diesen Namen erhalten zu haben. Von dem Hause eines in Brügge ansässigen adelichen Geschlechts, van der Beurs, dessen Wappen (3 Geldsäckel od. Börsen) über der Hausthür eingemeißelt war, soll der Namen Börse für die Vereinigungspunkte des Waaren- u. Geldverkehrs herstammen.“ Auffallen muss, daß in dieser Denkschrift eines sachkundigen Mannes das Wörterbuch der Brüder Grimm und die Herleitung von bursa, contubernium, nicht einmal angedeutet wird. Das ö in Börse wird übrigens durch bursa nicht erklärt, wol aber beurs, das russ. Wort hat i (биржа).
Nachdem die Stimmung auf stramme westlichen Börsen sich recht befestigt hatte, 391. 1885. 360.

Seemann von Jesersky 1913, 107
erstes Lokal 1765 in dem westlichen Teile des damals neubauten Rathauses. Eigener Dan [?] 1855. H. Basse.

Brage die
‣ Varianten: Braag, Braak, Brach, Brache, Brack2, Bracke2, Brag, Brahe, Brak, Brake
‣ Belege: Estland, Kurland
de Branntweinspülicht; et praak <gen praaga>

QUELLEN

Bergmann 1785, 11
die Brage, das Spülicht. Brack, schlechtes untaugliches Gut. Es kommt in die Brake, oder in die Badstub, es ist untauglich, wird vom Guten abgesondert.

Hupel 1795a, 29
Braak und Brack s. Brage und Brake.

Hupel 1795a, 30
Brage, die, st. Branteweinspülicht oder Branteweintrank. Fischer nennt sie ganz ungewöhnlich Brahe und Branteweinträbern; fast durchgängig hört man sie hier den Braak nennen.

Hupel 1796, I 174
Brage (Branntweinspülicht) Wir sagen gemeiniglich der Braak, welches Einige auch Brack schreiben.

Petri 1809, 426
Brag Der Abfall von der Branntweinbrennerey Brack genannt.

Gutzeit 1859, 144
Brach. In zusammengesetzten Wörtern bei früheren Schriftstellern häufig zu lesen statt Brag, so z.B. Brachkäbel st. Bragkübel.

Gutzeit 1859, 144
Bracke Früher häufig geschrieben st. Brage (Brantweinspülicht) und Brake (Wrake).

Gutzeit 1859, 145
Brag (¯), Brantweinspülicht, Brage. In ältern Schriften findet man dafür häufig: braak, Braack, Brack und Brak. Durch solche Schreibart sind Verwechselungen mit Brack = Wrack, Ausschuss, und Brake = Wrake unvermeidlich. Selbst Gadebusch, der so richtig schrieb, schreibt noch Brack (180. IV. 1. 434): was im Kessel zurückbleibt (beim Brantweinsbrande) und in Livland Brack genannt wird. - Der heiße Brag ist ein gewöhnliches Viehmästungsmittel. - Gesprochen wie Brach mit langem a, hier und da auch wie Brak, und vielleicht auch noch wie Brack.

Gutzeit 1859, 145
Brag, der („), Brantweinspülicht, Brage. In ältern Schriften findet man dafür häufig: Braak, Braack, Brack und Brak. Durch solche Schreibart sind Verwechslungen mit Brack = Wrack, Ausschuss und Brake = Wrake unvermeidlich. Selbst Gadebusch, der so richtig schrieb, schreibt noch Brack (180. IV. 1. 434): was im Kessel zurückbleibt, (beim Brantweinsbrande) und in Livland Brack genannt wird. − Der heiße Brag ist ein gewöhnliches Viehmästungsmittel. _ Gesprochen wie Brach mit langem a, hier und da auch wie Brak, und vielleicht auch noch wie Brack.

Gutzeit 1859, 145
Brage, die, ′Brantweinspülicht′. Das hier gewöhnlichste Wort. Schweine, die bei Brage gehalten werden; bei Mastungen mit Brage. Früher häufig dafür geschrieben: Brake, welches Verwechslung zulässt mit Brake = Wrake u. Brechen (des Flachses). Auch eine Mz. kommt vor. Die Bragen Nr. 1-5, d.h. Arten von Brage. – Während im vorigen Jahrh. in Livland Brak od. Brake geschrieben und gesprochen wurde, scheint gegenwärtig Brage allgemein üblich. – Hupel schweigt über die Abstammung. Man könnte versucht sein, sie dem Lettischen zuzusprechen ( brahga). Zweifel dagegen entstehn durch die Berücksichtigung, dass die Sprechweise früher zwischen Brack, Brak und Brake schwankte, und der Begriff des Wortes den Letten durch die Deutschen bekannt wurde. In einem Theil Russlands ist Brage eine Art Bier, bei welchem Wort man auf bresti brodit′, ′gären′, geleitet wird, aber auch auf die deutschen brauen, brodeln. Vielleicht ist Brage oder Brag auf Brak, Brack, Wrak, Wrack, ′Auswurf, Ausschuss′ zurückzuführen.

Gutzeit 1859
Brage, die. ′Schlempe, Restbestand beim Brennereiprozeß′, als Kraftfutter für das Vieh genutzt. Udo Baron Freytag-L. M. v. Stael, Wierland+Reval

Gutzeit 1859, 145
Brak, der, st. Brag. Nach Hupel fast durchgängig st. Brage zu hören.

Sallmann 1880, 24
Bei Brage ′Brantweinspülicht′ – kann es zweifelhaft sein, ob wir das Wort aus lett. brahga oder nd. Brack, Wrack ′Auswurf′ – ableiten sollen.

Sallmann 1880, 60
Brage ′Brantweinschlempe′, estn. prak, g. praga, wohl zusammenhängend mit bracken; oder ist an nd. brak ′bitter, salzig′ zu denken?

Gutzeit 1886, 166
Brage, die, ′der flüssige Rückstand beim Branntweinsbrande, Schlempe, Brantweintrank oder Spülicht′, unrichtig auch, selbst von Stender, mit Mesche od. Meische erklärt, welche poln. brzeczka od. brze̦czka, sorab. brazka heißt, während Brage poln. durch braha, bracha u. braga, russ. durch барда wiedergegeben wird; lett. brahga und dranķis. – Die verschiedene Aussprache dieses Wortes erklärt auch die verschiedene Schreibung. So haben die Älteren rig. Anzeigen: Brag, 172. 1795. 418, Braag, 172. 1785. 451, Brack, 172, 1799. 551, Brach, 172. 1812. 49. Bei Hupel (182. II) Brak, w.s. In den Buchstaben u. der Bed. entsprechend poln. braha, bracha und braga. Linde leitet diese poln. W. aus deutschem brauen und Brühe. Diese Herleitung ist gezwungen und unwahrscheinlich; auch das deutsche Wort lässt sich nicht mit brauen oder Brühe zusammenbringen. Unser Brage steht auch außer Zusammenhang mit schweiz. Brägel, Art Brei von dickgekochten Früchten, u. wol ebensosehr mit des Plinius brace, nlat. bracium und braxare, franz. brasser ′brauen′ (vgl. Ducange) und ir. gäl. braich ′Mehl, Malz′, und franz. brai ′geschrotene Gerste der Brauer′. Es bleiben daher nur 2 Möglichkeiten 1) Brage als Brack, Brok ′Ausschuss, Abgängsel beim Branntweinbrennen′ anzugehen, oder 2) slawischen Ursprung anzunemen. Für das zweite spricht zwar nicht die Bedeutung des poln. und russ. Wortes, welches letztere erst in neuerer Zeit den Begriff von Branntweinspülicht erhalten hat, wol aber die vollkommene Gleichlautigkeit mit dem was russ. und poln. braga heißt, nämlich ein Spülwasser ähnliches Getränk od. Bier aus Roggenmehl, hirse od. Gerste. Zur Verwandtschaft dürfte auch zu rechnen sein franz. drague, ′Träber′ (beim Bierbrauen). Dies drague verhält sich zu unserem Brage, wie lett. dranķis (Dranke) zu Brank, derselbe Wechsel von b und d. s. Brahe. – In 476: Brâgen, der, und Brâk, Rest (Spülicht), der bei der Branntweinbrennerei vom Maische zurückbleibt, litt. bróga u. brógas. – Ersichtlich kann das preuß. Brâgen-Brâk nicht vom lit. bróga herkommen. s. Brak.

Gutzeit 1886, 165
Brache, (–), die, zuweilen st. Brage

Gutzeit 1886, 166f.
Brak, der, Brantweinschlempe, die älteste Wortgestalt für das in Liv- und Kurland jetzt übliche Brage. Bei Gadebusch Brack: was im Kessel zurückbleibt; bei Lange Braak, bei Hupel (1780) Braak u. Brake. Wenn Brak, wie Gadebusch meinte, auf Brack (Abgängsel, Schlechtes) zurückginge, so wäre die Schreibung u. Aussprache Brage schlecht u. wahrscheinlich durch lett. Einfluss entstanden. Russisch брага f. Schlempe kommt nicht in Betracht. Denn in diesem Sinn begegnet es in keinem russ. Wtb. vor 1840; der eigentliche russ. Ausdruck für unser Brage ist бáрда; im Sinn von einer Art Hirsebier wird брага aber schon früher erwänt. Um sicherer die Herkunft von Brak (Brag) oder Brage festzustellen, wäre norwendig, auf die ältesten lettischen u. littauischen u. estnischen Wörterbücher von Adolfi, Elvert, Arends zurückzugehen. - Brage, wie es scheint, zuerst bei Stender und heute gewönlich, selbst in Estland. Denn Sallmann (390c. 24) fürt Brage Brantweinspülicht an. Es kann, sagt er, zweifelhaft sein, ob wir das Wort aus lett. brahga oder nd. Brack, Wrack, Auswurf ableiten sollen. Auf S. 143 sieht er dagegen das weibliche Seschlecht des Wortes als eine Abweichung von dem richtigen (männlichen) an, bei welcher Verweiblichung ein e angehängt u. dadurch eine Neubildung hervorgebracht wurde, ebenso wie bei Breze. Das ist unwahrscheinlich. - Die älteste hierortige Schreibung: Brack, Brak, Braak deutet darauf hin, dass Gadebusch, Lange u. Hupel nur Brack, d.h. Auswurf, Ausschuss, Rückstand im Auge hatten, den Spülicht nur als solchen ansehen. Ist dies der Fall, so ist lett. brahga, wie poln. u. russ. braga eine Entstellung des deutschen Brack, ebenso wie estn. praag od. praag, Brantweinspülicht nach Hupel - eine Bed., die ausschließlich gangbar ist. - Von russ. брага (Art Bier) werden gebildet бражникъ Schlemmer u.a. In Pawlowsky-Asmuß russ. Wtb. wird брага, auffallender weise, auch mit Maisch, Maische erklärt. Dass unser Brage dem Russ. entlehnt sein sollte, ist unwahrscheinlich, weil der Brantweinsbrand nicht von Russland hieher bekannt wurde, sondern von Westen dorthin gelangte.

Gutzeit 1886, 166
Brahe, f. Brage, durchweg in J. B. Fischer (447). Brandweins Brahe, ebda. 167.

Kiparsky 1936, 148
Brage [brāgə] f. ′Branntweinspülicht′ ‹r.брага ′Maische′. Die im 18.-19. Jh. üblichen Formen Brag, Braag, Brach, Brack u.s.w., die Gutzeit I, 145; N.86 166-167 zweifelnd mit nd. Brak, Wrak ′Auswurf′ in Verbindung bringt, könnten am ehesten mit opr. Bragen, Brak ′Rest (Spülicht bei der Branntweinbrennerei′ zusammengehören, wobei es freilich dahingestellt bleibt, woher das opr. Wort stammt. Poln. braha ′Branntweinspülicht′ passt wegen des h als Quelle nicht. Entlehnung der opr. und der bd. Formen aus lett. brāgs ′Branntweinspülicht′ (‹ Russ.) ist aus Verbreitungsgründen bedenklich anzunehmen (vgl. Sallmann V. 12; N. 24; Nesselmann Apr. Monatsschr. VIII, 675).

Nottbeck 1987, 22
Brage ′Abfall von Brennereien′ / E.K. Die Brage wurde zu Viehfutter aufbereitet.


QUELLEN (Informanten)
Freytag-Löringhoff, Udo Baron: Gut. Rawen (Kurland); Stael von Holstein, Marie Louise Baronesse: Gut Samm (Wierland), Reval
Schlempe, Restbestand beim Brennereiprozeß, als Kraftfutter für das Vieh genutzt.

Brotkorste die
‣ Varianten: Brotkorsten

QUELLEN

Gutzeit 1886, 183
Brotrinde, 444. 1780 u. 1818 u. heute gew. Fast nie Brotkruste.


QUELLEN (Informanten)

Brotrinde

Brücke die

QUELLEN

Hupel 1795a, 36
Brücke, die, heißt hier jeder Weg welcher zuweilen ausgebessert wird (vermuthlich weil man vormals alle niedrigen Stellen mit Holz belegte.)

Gutzeit 1859, 154
durch Holz oder Steine fahrbar gemachter Weg, gebrückter Weg. Buddenbrock (193) II. 654. sagt: Man unterscheidet bei den Wegen diejenigen, welche von Stein od. Holz gebaut werden, und welche Brücken heißen, wenn sie übers Wasser gehen, und Pflaster, wenn sie von Stein auf trockner Erde gebaut werden. - Bg. (210) erklärt: mit Holz gepflasterter (gedielter) Weg. Alle Brücken, welche die Ambaren umgeben, 208. 254, d.h. die hölzerne Dielung an denselben; Balken zur Umgangsbrücke in der Wasserkunst, rig. Ztg. 1857. Nr. 126. Beilage.

Gutzeit 1886, 184f.
In Grimms Wtb. ist eine sehr weit gehende Erläuterung über den Ursprung dieses Wortes; es soll Brücke auf ein verschollenes Zw. wie goth. brauan hindeuten, dem der Sinn von wölben könnte zugestanden haben, was auch buchstäblich nahe an bauan struere reiche. - Diese Erläuterung wäre vermutlich nicht aufgestellt. wenn das Slawische in Berücksichtigung gezogen worden. Slawisch ist прагъ Schwelle, russ. порóгъ Schwelle, dann (zum Zurückhalten des Wassers bei einer künstlichen Bewässerung), Fach- oder Wehrbaum, Stufe, Absatz; Brücke (am Flammenofen) und порогъ печной die Feuerbrücke. Wenn Grimms Wtb. von Brücke angefürte briga, bria, briva als „nicht vergleichbar“ ansieht (weshalb?), so weist das vermerkte ir. drochad, droiod auf russ. дорога Weg, Straße. - Den Uebergang von Brücke zu russ. порогъ u. slaw. прагъ bieten fries. bregge, schwed. u. dän. bro, und in der Bed. порогъ-прагъ Stufe, Schwelle das deutsche Brüge, Brettergerüst, Büne (Grimms Wtb. 7) u. von Lagerstatt von Brettern am Ofen u. an einer Seitenwand d. ländlichen Wohnstube (ebda 8) - buchstäblich eine Schwelle - порогъ.
Hupel sagt: „Brücke heißt jeder Weg, der zuweilen ausgebessert wird (vermutlich weil man vormals alle niedrigen Stellen mit Holz belegte)". - Jetzt wol nur im Munde alter Leute. Das lett. brugge bezeichnet gebrückter Weg u. Steinpflaster.
Man unterscheidet Morast- und Wasserbrücken.
Eine gew. Redensart ist: Catharina baut Brücken, Andreas reißt sie nieder, d.h. zum Catharinentag (24. Nov.) in Thauwetter.
Reußische od. russische Brücke im alten Riga. Dieselbe wird erwänt in d. Verordnung vom Handel bei der reußischen Brüggen vom J. 1594, ferner in der Brückenordnung v. 1595 u. späteren Verordnungen. vgl. 347. II. 1. 261. Der Handel an der russischen Brücke war den Gildebrüdern allein vorbehalten, ebda. - In einer Handelsverordnung v. 1562 wird verboten, Handel zu treiben auf dem Hacken bei der russischen Brücke, 350. XXIV. Brotze bemerkt dazu: Haken hieß unten am Ende der Spilwe eine Landspitze, die nachher den Namen Aahaken führte, weil sie an der Mitauschen Aa liegt. - Es scheint, dass eine russische Brücke auch oberhalb der Stadt lag, wo die Strusen anlegten, eine zweite beim Aahaken. Die erste erinnert an die Brücke in Bergen zur Hansezeit: die Altstadt dicht am Meer, in welcher die Deutschen ihren Sitz hatten u. welche etwas dem Stahlhof in London ähnliches war. Die russische Brücke kann daher auch nur ein Teil des Dünaufers gewesen sein. Diese Benennung ist in Königsberg, Danzig noch heute, nämlich ein Teil des Flussufers, auf dem Lebensmittel u.a. feilgeboten werden. Daher in Königsberg die Fischbrücke, d.h. der Fischmarkt am Pregelufer. Nach 476.

Gutzeit 1898, 6
hohe, seit Langem die über den Jägelfluß nach Neuermülen fürende; neuerlicht auch die sog. Basteibrücke am Basteiberge Rigas.

Brusse die
'vierkantig behauener Balken'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 156
vierkantig behauener Balken. Schon 197, in d. Wettdiener Taxe. - Im Russ. ist Bruss ein Balken.

Seemann von Jesersky 1913, 108
vierkantig behauener Balken

Kiparsky 1936, 148
[brusǝ] f. 'vierkantig behauener Balken' ‹ r. брусъ id. Nach Gutzeit I, 156; 477 belegt seit 1756. Heute im ganzen Baltikum. - Dazu: Brussenflösser, -wraker, Bahn-, Bau-, Halbbrusse.

Brust die

DAZU:
einen vor Brust nehmen (id) 'sich betrinken'

QUELLEN

Gutzeit 1859, 156
Über die Brust sprechen: pralen, pralend von sich erzählen.

Gutzeit 1886, 188
Grimms Wtb., sagt, die slaw. Wörter pr'si, poln. piers, böhm. prs seien wurzellos. Sie können indess ebenso gut (oder ebenso unwahrscheinlich) mit переть (пру) pressen, drängen, sich gewaltsam durchdrängen wollen zusammengebracht werden wie Brust mit bresten - bersten. Wie Brust, nach Grimms Wtb., die keimende, vordringende, schwellende, wachsende, sich wölbende sei (was doch nur uneigentlich aus dem Begriff bersten hervorgeht!), so wäre slaw. perssi das Drängende, sich hervor Pressende. - Unmöglich ist es, Brust und perssi, prs, piers mit lit. pryszirdis zusammenzubringen; denn das lit. Wort ist ebensolche Zusammensetzung wie präcordium und hängt mit Herz = сердце zusammen. - Ganz unwahrscheinlich u. allzu gewagt ist auch d. Zusammenfürung von perssi, piers, prs Brust mit slaw. pr'st', böhm. prst, russ. perst, litt. pirßtas Finger: "perst Finger sei das Brechende, wie Finger das Fangende“, u. perst Finger sei desselben Ursprungs wie perssi u. Brust, ginge zurück auf bresten, brechen, bersten. Ganz übersehen wird in Grimms Wtb. die lautliche, begriffliche und geschlechtliche Übereinstimmung von Brust mit грудь u. lett. kruhts, Brust. - Einem in die Brust gehen oder kommen, auf ihn stoßen, mit ihm zusammenprallen.

Seemann von Jesersky 1913, 108
fer Brust nehmen: trinken. Schwach auf der Brust: dumm.

Grosberg 1942
Die Pokutschen, mit denen man Wölfe hetzte, sind heute spurlos verschwunden, ebenso die „Winde“, wie man die Windhunde kurz nannte. Drei Winde gingen auf eine „Schnur“, oder „Schmitze“. Die besten Läufer unter den Winden wurden „Spitzköpfe“ genannt, man bezahlte einen gepichten Spitzkopf mit einhundert Rubeln, natürlich „Silbermünze“. Wenn die Spitzköpfe nach so und sovielen „Schwunken“ den Hasen abgemurkst halten, dann konnte man „Herdat“ blasen und „einen vor die Brust“ nehmen, als Anzahlung sozusagen, denn das richtige vor die Brust nehmen geschah später, beim Essen und beim „Partiechen“.


QUELLEN (Informanten)

einen vor Brust nehmen - sich betrinken. WL 8,39.

Brusttuch das

QUELLEN

Hupel 1795a, 37
st. Kamisölchen, Unterkamisol, Brustlatz einer Mannsperson.

Gutzeit 1859, 156
Außer der Bed. von einem Tuch, das die Brust bedeckt, nach Hupel noch: Kamisölchen, Unterkamisol eines Mannes. Ein Brusttuch von Kitai, eines Weibes, 172. 1768. 74; ein Brusttuch von Schafsfell, ebenda, 1798. 106. Grimm sagt, heute veraltet und durch Halstuch (?) vertreten. Kurz, Sonnenwirth S. 394, hat es in der Bedeutung von Weste. Bei uns jetzt veraltet?

Gutzeit 1886, 189
oder Schnürleib, strophium. 353. 12.

brütend heiß

QUELLEN (Informanten)

Lange, Harald: Riga, Südlivland
sehr heiß. Heute haben wir eine brütende Hitze. Brütend heiß ist es heute.

Bubbel die

QUELLEN

Gutzeit 1859, 157
rundliche Anschwellung des Hautgewebes, meist durch Entzündung veranlasst, und nicht größer als etwa eine Erbse oder höchstens Nuss. Engl. bubble, in Achen Brubbel, ital. broffola.

Sallmann 1880, 29
die beim Kochen aufsteigenden Blasen

Gutzeit 1886, 190
Im brem. Wtb. „Wasserblase, bulla, nicht mehr im Gebrauch.“ Hier noch gew. Ein Bubbelchen.

Gutzeit 1894, 7
der, in der Bed. von Bubbelmann. In den Bauerhäusern vertritt das Lesebuch die Stelle des „Bubbels“, welcher den Kindern gebildeter Familien sich in Gestalt des Schornsteinfegers zeigt, 361. 1894. 59 aus Kurland.

Gutzeit 1898, 6
2) durch Hochmut aufgeblasener Mensch. Er ist ein großer Bubbel. s. Nachträge v. etwas Abschreckendem, Widerwärtigem. Namentlich ist der Weg nach Ilgezeem ein Bubbel für den betreffenden Raddampfer, Eingesandt in Dünaztg. von 276, des wenigen Eises wegen. Vgl. Nachträge v. 1894. 7.

Seemann von Jesersky 1913, 108
ein Popanz, Kinderschrecknis

Masing 1933, 64
Aus dem Lettischen stammen die Bezeichnungen: Ragge für eine Art bäuerl. Schlitten, Bubbel für einen Kinderschreck, Rinda stehen für Reihe (Schlange stehen), Zemme für einen Haken in der Tür.

Kiparsky 1936, 81
Bubbel [bubəl] m., Bubbelmann 'ein Popanz' ‹ lett. bubulis, bubēlis id. Gutzeit N.94 7; heute allg. in K. und LL., z.B. bei Worms Seelenretter S. 165.


QUELLEN (Informanten)
Hehn, Bernd von: Druweln, Kreis Wenden
der Kinderschreck

Koskull, Josi von: Tergeln bei Windau
Schreckgespenst, Kinderschreck

Borchert, Sigrid: Riga
das kompakte Ergebnis beim Nasebohren

Hesse, Ilse: Pernau, Riga
die Teroddel

Schilling, Edith von: Riga
Hauterhöhung, Pinkel

Taube, Theodor: Riga, Westkurland
manchmal als Ausdruck für „kleiner Junge“ gebraucht

Buchse die
‣ Varianten: Büchse

QUELLEN

Gutzeit 1859, 157
Buchse oder Büchse, in einer Radnabe. Gewöhnlicher ist das erste. - Eiserne Buchsen, 172. 1826. 11; ganze Büchsen in die Räder machen, ebenda 1812. 12.

Gutzeit 1886, 191
Buchse u. Büchse. 1) Hose. Beide Wortgestaltungen schon in plattd. Zeit, nie aber das in Grimms Wtb. als nd. angef. boxen. In einer plattd. Schneiderrechnung v. 1589: Buxsen und nederhasen; bei Russow 86a. büxsen, nach des Herausgebers Erklärung: eine wahrscheinlich weitere Bekleidung der Beine. Auch in d. hochd. Zeit teils Buxen teils Büxen in Schneiderrechnung v. 1661 in 349. XXV. 3 (drei par Büxsen); Röcke und Büxen. 350. XV. J. 1632. - Aber auch Hosen u. Hossen kommen schon in d. plattd. Zeit vor, so z.B. in plattd. Schriftst. v. 1559 u. 1560. Die Hosen wurden auch Nedderhasen oder Nedderhassen, auch Unterhossen genannt; Buxen waren die Beinbekleidung bis zum Knie abwärts, Nedder- oder Underhassen oder schlechtweg Hosen die des Unterbeins, zu welchen bei den Wallboten weißes Tuch genommen wurde. In d. jetzigen Zeit Büchsen allein im Gebrauch, Buchsen nur im Scherz. - Etwas in den Büchsen haben, (in den Hosen), ein Lustseuchen-Leiden. Die Büchsen anziehen können, Haus u. Hof verlassen, davon ziehen können, z.B. nach einem Feuerschaden, wo alles verloren gegangen. Das Herz sitzt ihm in den Büchsen, d.h. er ist ein Hase. Das Herz ist ihm in die Büchsen (Hosen) gefallen, er hat den Mut verloren. Die Büchsen schlagen ihm zwölf, d.h. er ist in tödtlichster Angst. Ob hierbei an Büchsen = Uhren gedacht ist?
2) an Rädern, heute fast durchweg Buxen, selten Büxen. Ein Gang Räder mit alten Ringen v. alten Büxen ausgebunden. 349. XXII 2.J. 1649/50.

Bühre die
‣ Varianten: Bühr, Bür, Büre

QUELLEN

Gutzeit 1859, 159
Bühre s. Büre

Gutzeit 1886, 194f.
Bür, das, Büre, die, Büren, das, Überzug für Bettzeug u. zwar 1) für das Pfül, Bettbüre. Ein Unterbette mit blau und weiß gestreiften Bühren, 349. XXIV. 2. J. 1701; ein Unterbett mit hollandschen Bühren, ebda. — 2) am Gewönlichsten in Verbindung mit Kissen als Kissenbür, Kissenüberzug. Die ältesten Belege in der Hochzeit- u. Kleiderordnung von 1598 (309) und in der Kindtaufsordnung von 1621: Küssenbühren. Ein Kissenbühr, 328. 248; Laken und Kissenbieren, 343. I. 9. J. 1666; sechs paarKüssen Bühren, 349. XXIV. 1. I . 1673;Vundwerk zu ein paar Küssenbühren, 349.XXIV. 2. J. 1701; Büre, Überzug eines Kissens, 174. 1823. 169 u. 175. — In der ersten Anwendung (für Pfül) bezieht sich Büre auf den Überzug aus Bürenzeug, welches noch heute wie ehemals blau und weiß oder roth u. weiß (grau) gestreift ist: in der zweiten auf den leinenen weißen, zu wechselnden Überzug d. Kissens über dem bürenen. —
Nach Grimms Wtb. ist Büren ein nd .Wort, „das Voß eingefürt hat, die neuhochd. Sprache aber dulden kann“; im brem. Wtb. ist Büren ein Überzug, Kussenbüren Kissenüberzug.

Kobolt 1990, 77
Bühre Überzug für Kissen und Bettzeug
mnd. büre Bühre, Zieche; Br.Wb. Büren Überzug; lbg. Bür Leinenüberzug für Kissen und Bettzeug; pomm. Büre Überzug; pr. Büre, Bire Überzug über Kissen und Deckbett; Gött. Büre Überzug.


QUELLEN (Informanten)
Lemm, Robert von: Reval, Dorpat; Schröder, Alfons von: Riga; Bruhns, Friedrich: Mitau, Kreis Harjen
Bühr (Kissen-) - Bezug. das Bühr oder die Bühre

Buldan der/das
‣ Varianten: Boldan, Buldahn

QUELLEN

Sallmann 1880, 16
grobes Segeltuch (a.d. Schwed.)

Kiparsky 1936, 127f.
[buldān], Boldan [boldān]m., n. 'grobes Segeltuch; Art grober Leinwand zum Beschlagen von Möbeln, Bettrahmen etc.' ‹ schw. buldan 'grof, tvåskaftad väfnad af lin-, jute- l. hampgarn, hvilken användes til säckar, segel m.m.' - Hoheisel 25, Sallmann V. 10: N. 16.
Das Wort könnte aber auch aus dem Ndl. über die Ostseestädte ins Baltikum gekommen sein. Nach den Sammlungen des Preussischen Wörterbuches kommt Buldan 'Canefas' schon 1825 in Danzig vor. Heute ist es sowohl im Baltikum als in Opr. fast ausgestorben.

Nottbeck 1987, 23
(swe) Segeltuch / E.
Das Sonnensegel über der Terrasse war aus Buldan.

Kobolt 1990, 76
grobe Leinwand, Zeltleinwand, schwed. buldan.


QUELLEN (Informanten)
Plath, Gerhard: Dagö, Eltern: Pernau, Reval
Buldahn - geteerte Leinwand.

bullern V [h]
Vi

QUELLEN

Gutzeit 1859, 159
A.d.g.B. von Blasen werfen, 1) Worte, mit vollem Munde oder gleichsam dicker, schwerer Zunge ausstoßen. Er bullerte einige unverständliche Worte. 2) ziellos, hervorsprudeln. Einige unverständliche Worte bullerten aus seinem Munde. 3) vom Geschütz, was bollern, nur vom dumpfften Geräusch gebraucht. Die Kanonen bullern. 4) kullern und bullern, wie ein Ball kugeln. Das Hündchen lässt sich kullern und bullern wie ein Ball, od. kullert und bullert sich wie ein Ball.

Sallmann 1880, 29, 49, 61, 74
bullern herauspoltern mit schweren unverständlichen Worten; kugeln.
bullern - brodeln, kochend aufwallen. Blasen werfen, mnd. bulgern, altn. bulla.
bullern und kullern wälzen und kugeln
bullern und kullern

Gutzeit 1886, 193
im brem. Wtb. poltern. 5) Ein Wagen kommt herangebullert; die Kugel bullerte fort. Mit dumpfem Geräusch rollen. - 6) der Wagen od. Leib bullert; ich habe Bullern im Leib, Kullern oder leichtes Poltern. - 3) die Kanonen bullerten heute tüchtig, die Schüsse aus ihnen erschallten; man bullerte heute viel, schoss aus Kanonen. - 7) donnern. Es bullert (insbesondere: schwach u. dumpf, der Entfernung wegen). s. bollern. Das u in d. Worte bezeichnet das dumpfe Geräusch, wie das o in bollern das heller tönende.

Seemann von Jesersky 1913, 109
o.w. poltern, lärmen, gewittern.

Masing 1926b, 50
bullern 'poltern' (mnd bulderen; Frischbier I, S. 117).

Bulstererbsen pl
‣ Varianten: Bolstererbsen

QUELLEN

Gutzeit 1859, 159
Bulstererbsen Ausbrech- oder Krull-Erbsen, Schalerbsen. 1) Erbsen, die zum Bulstern gebraucht werden können; 2) ausgebulsterte Erbsen, als Speise. Wir essen heute Bulstererbsen.

bunt Adj

siehe auch Bunt

QUELLEN

Gutzeit 1886, 194
bunt Dienstmägde sollen keinerlei Buntes tragen, 350. XXIV. 1. J. 1502, Pelzwerk; berüchtigte Frauen sollen weder bunt noch Geschmeide tragen, ebebda, was Richter (347. I. 2. 157) nach einer Bursprake fälschlich mit: bunte Kleider wiedergibt, statt mit Pelzwerk; zweene bunte Futter, 242. J. 1562 u. 1588; im Schragen von 1397: twe bunte vudere. ... dar men enem jewelken mede vul don moge, 2 Pelzsäcke oder Säcke Pelz, wie heute gesprochen wird. - Man ersieht aus den obigen Belegen wie aus anderen, dass das Beiwort bunt auch ein sächliches Hauptwort ist in ders. Bed. wie Buntes u. Buntwerk oder Pelz. Als sächl. Hptw. auch im brem. Wtb.: Bunt, Buntwerk, Pelzerei, holl. bont, bontwerk; ebenso in Schiller-Lübbens mnd. Wtb.: das Bunt für Buntwerk, Pelz.

Burkane die
‣ Varianten: Borkan, Borkane, Purkane
de Möhre
ein Teller mit rohen Burkahnen (Möhren

QUELLEN

Kochbüchlein 1686, 113
Burkane grose Porkanen

Lindner 1762, 223
Borkanen, draussen Mohrrüben, in Preußen gelbe Möhren.

Hupel 1774-1782, 523
Porkanen, gelbe Rüben Daucus carota, ...

Bergmann 1785, 13
burkanen, Möhren gelbe Wurzeln

Hupel 1795a, 40
Burkane Möhre, gelbe Rübe oder Wurzel. Einige sagen gar wie im Ehstnischen Borkane.

Possart 1846, 181
Burkane Möhre, gelbe Rübe

Gutzeit 1859, 142, 161
Borkane, zuweilen Burkane. Bg. und Hup.
aus d. Lett. od. Russ.

Mitauisches Kochbuch 1876, S. XI.

Sallmann 1880, 15
Burkane (Daucus carotta), estn. porgan, ist zusammenzustellen mit r. burak, Borretsch, mlat. barago, gr. πουράκιον, mhd. porretsch, purretsch, ital. borrágine, frz. bourrache, mit Uebergang der Bedeutung von Borretsch in die der Bete und Burkane.

Klinge 1882, 536
Burkane Daucus carota, gemeine Moorrübe, bei uns Burkane.

Gutzeit 1886, 162, 197
Burkane Beleg 1577: Purkahnen (Riga); 1649: Burkanen; 1724: gelbe Rübe oder Bürkan (Riga); für Gegenwart: Auch heute durchweg st. der dt. Ausdrücke; einige sprechen: Borkánen. Ösel: Porkanen.
russ. морковь, livländisch aber бурканъ, lett. burkani, estn. porgan, Ösel: Porkonid.

Gutzeit 1887b, 407
Purkane Meerrettig und purkahnen, 350. XV. 9. J. 1577. Jetzt: Burkane.

Eckhardt 1896, 28
Burkane preuß. Burkan, Borkan, Porkan f. lett. búrkahns, lit. burkantai (› entlehnt, alt.

Seemann von Jesersky 1913, 109
Burkane daucus carota, Möhre

Masing 1924-1926, 93
Burkane Unsere Bezeichnung Burkane ist sicherlich mit Bruke [=buruke, Kohlrübe], mit dem litauischen burkantai 'Pastinakwurzel', mit russ. morkowj und Möhre verwandt, doch fehlt zurzeit noch eine befriedigende etymologische Erklärung.

Masing 1926b, 80
Burkane „Möhre“ (mnd. brackannige „essbare Pflanze oder Wurzel“; Frischbier I, S. 120 Burkan, lit. burkantei „Pastinak“, lett. burkans).
opr. , bd, lit.

Wiget 1927, 8
Burkane vielleicht direkt a.d.lett. [dazu Mitzka in Teuth. 4, S. 173: a.d. Lett. entlehnt].

Sehwers 1936, 301
Burkane Die Möhre, Mohrrübe nennen die Deutschen Lettlands auch Burkane, vgl. auch Frischbier I 120... Das Wort kommt auch in den finn. (vgl. finn. porkanna, estn. porgand, liv. Borkons) und baltischen Spr. (vgl. lit. burkantai, barkunas, lett. burkans) und im Russ. (barkán, borkan) vor. Es fehlt zur Zeit eine befriedigende etymologische Erklärung des Wortes. Im Lett. ist burkans in den Sprachdenkmälern des 17. Jh. belegt, vgl. Mancelius Phras. lett. XVI (1638): „gelbe Rüben, Burrkani“ und Langius, Wb. 21 (1685) „Burkans, pl. Burkani, gelbe Möhre oder Rübe.“ In den Katastern aus der schwedischen Zeit von 1624 und 1630 werden Burkanen als Abgaben genannt, welche die lett. Bauern in Burtniek ihren Gutsherren zu liefern hatten, vgl. Schwabe a.a.O. 169. Vgl. Ulmanns Wb. I 353 (1872): „Burkans, die Burkane, Mohrrübe“.

Kiparsky 1936, 201f.
Burkan [burkān] m., Burkane [burkānǝ] f. 'Mohrrübe (Daucus carota)'. Für Entlehnung aus r. буркáнъ (бoрканъ, бaрканъ) 'Mohrrübe' spricht: 1) die Verbreitung des bd. Wortes (E.L.K.; die von Frischbier I; 120 zitierten Formen kommen in Ostpreussen nicht vor und sind sicher bd.; vgl. oben S. 22), 2) der Akzent. - Dagegen spricht aber einigermassen der Umstand, dass bd. Purkahne für Riga im J. 1577, bd. Burkane im J. 1649, also lange vor Beginn der russischen Zeit belegt ist (Gutzeit Nr. 86 197); das russ. Wort hat auch keine befriedigende Etymologie und wird, z.B. von Akad. Wb., als „deutsch“ bezeichnet.
Lett. burkans, burkanis, burkants 'Burkane, Mohrrübe' wird von Endzelin Wb. s.v. und P. Schmidt (Rigas Latviešu Biedribas Zinibu Komisijas Rakstu Krajums XV, S. 35-36) als entlehnt betrachtet, ohne dass die beiden Gelehrten die Quelle angeben könnten. Es kann aber ebensowenig wie lit. burkantas 'Mohrrübe' Quelle des bd. Wortes sein, da es am ehesten ein bd. [búrkan] gegeben hätte.
Estn. porgan(d), porkan, finn. porkkana 'gelbe Rübe, Mohrrübe' sind bisher unbekannter Herkunft. Am liebsten möchte man sie aus der bd. Nebenform Borkane (bei Lindner, J. 1762, S. 223) ableiten, während die mit p-anlautende bd, Nebenform auf estn. Einfluss beruht.
Masing NdE. 80 erwähnt im Zusammenhang mit bd. Burkane ein mnd. brackanninge 'essbare Pflanze oder Wurzel'. Dieses von Schiller-Lübben aus einem Glossar vom J. 1467 zitierte Wort ist aber wahrscheinlich die klosterlateinische Wiedergabe des gr. βράκανα τα άγρια λάχανα (Hesych). Sachlich ist die Verpflanzung der Mohrrübe ins Baltikum durch die Tätigkeit der Mönche sehr plausibel, doch wäre die Umgestaltung eines brackannige zu Burkane nicht zu erklären.
Eine sichere Entscheidung ist nicht möglich.

Grosberg 1942, 130, 319

Graf 1958, 10
Dem lit.-lett. Wortschatz entlehnt ist die Burkane = Mohrrübe

Vegesack 1963, 28

Kentmann 1978, 238
Burkane Mohrrübe

Nottbeck 1987, 24
Burkane (swe.) - Mohrrübe / E.K.L.R.
Gestovte Burkanen waren äußerst unbeliebt.

Kobolt 1990, 77
Burkan, Borkan m Burkane, Borkane, betont auf der zweiten Silbe, f. Mohrrübe.
russ. mundartlich; burkan, borkan; pr. Burkan, Borkan, Porkan Mohrrübe; fi. porkkana; wotisch borkana; estn. porgand; lett. burkāns (der Lautstruktur nach selber ein Lehnw.); livisch borknez; poln. burak Rübe.


QUELLEN (Informanten)
Petersen, Arnold von: Riga; Oprescu: Elga: Riga; Campenhausen, Sophie Baronin: Livland: Ilsen, Kreis Walk; Kerkovius, Martha: Riga
Mohrrübe

Butte1 die
{mnd. but 'Scholle'}

QUELLEN

Hupel 1774-1782, 196
Butte Fisch

Hupel 1795a, 41
Butte ist 1) eine bekannte Fischart (Pleuronectes Flesus) ...

Gutzeit 1859, 163
Butte der bekannte Seefisch; nie der Butt oder Bütte. Die Namen Scholle oder Flunder, wie in Deutschland, sind hier unbekannt.

Mitauisches Kochbuch 1876, 75
Butte Flunder

Sallmann 1880, 30
Butte eine Fischart, Steinbutte (Platessa Flesus, Rhombus maximus).

Pantenius 1881, 12
Butte die Scholle (Fisch)

Gutzeit 1886, 201
Butte von jeher übliche Benennung des bekannten Fisches. So schon in 350. XVIII. 3. J. 1558: ein Band Speckbudden; so in einer plattd. Rechnung v. 1598 in 350. XV. 5: droge Butten. Auch heute spricht man noch von Speckbutten: geschätzt werden die Dondangenschen Butten.

Gutzeit 1894, 9
Butte Diese noch heute allein übliche Bezeichnung für den bekannten Seefisch, dessen ausländische Benennungen Flunder und Scholle uns unbekannt sind, begegnet schon in der ältesten Geschichte des livländischen Gouvernements. So in der rig. Bursprake v. 1380. 187: wer it, dat jenich hoker butten edder drogde vische koost.

Masing 1926b, 44
Butte 'Scholle' (mnd. but).

Munier-Wroblewski 1927-1931, 259
Wagen vieler Strömlinge, Dorsche und Butten

Stoll 1931, 8, 9 ?
Hart über den Boden streichend zieht eine kleine Schar Plattfische, Butten (Pleuronectes flesus), heran.
Ausser der gewöhnlichen Butte, im Westen Flunder genannt, wird hier dazwischen auch der Steinbutt (Rhombus maximus) gefangen.
Ob auch die glatte Milchbutte (Pl. livanda?) hier vorkommt...
Auch die Scholle (Pl. peatessa) ... da sie bei Windau vorkommen soll.

Taube 1944, 179
... eine Wirtschaft, in der man unter anderem trefflich gebratene Butten - im Reich sagt man Flundern - zu speisen bekam.

Pantenius 1959, 36
Butte ein Seefisch

Kentmann 1978, 1978
Butten, Hechte, frischgeräucherte Büttlinge

Nottbeck 1987, 25
Butte Scholle / E.K.L.R.

Kobolt 1990, 78
Butte Scholle
mnd. but Plattfisch, Scholle; Br. Wb. Butt(e) Buttfisch; lbg. Butt Fischart; nhd. Butte niederd. für Scholle.

???, 13
butt, gerade weg, stumpf: daher hat die Butte (eine Art Schollen) ihre Benennung, weil dieser Fisch einen sehr stumpfen Kopf hat.


QUELLEN (Informanten)

Butte Flunder. Sehr häufige Meldungen aus dem gamzen Baltikum

Butterschnik der
‣ Varianten: Butterschnick

QUELLEN

Hoheisel 1860, 29
russ. буточникъ: Polizeiwächter

Kiparsky 1936, 150
Butterschnik [bútəršnik], Buduschnik [búdušnik] m. 'Polizeisoldat' ‹ r. будочникъ 'Stadt-, Polizeiwächter' mit Umbildung wohl nach Katterschnik s.d. - Hoheisel 29, Sallmann V. 9; N. 13. Das Wort war bis etwa 1880-90 im ganzen Baltikum verbreitet, wird aber heute nur von der älteren Generation verstanden.


QUELLEN (Informanten)
Hansen, Alfred von
Butterschnick - Schildwache. russ. Budotschnik

Convent

QUELLEN

Gutzeit 1864, 171
1) Zusammenkunft od. Versammlung der Landräte, des Landmarschalls u. der Kreisdeputirten auf dem Ritterhause zur Besorgung versch. Landesangelegenheiten seit etwa 1647; der Eingepfarrten eines Kirchspiels auf dem Pastorate zur Entscheidung gewisser kirchlicher Angelegenheiten: Kirchspiels-, Kirchenconvent; der Studenten. - In den Landtagsverhandlungen v. 1643 heißt es: einen Convent nach Wenden beschreiben; den Adel zum Convent nach W. verschreiben. Convente, conventus terrestris, hießen ursprünglich die Landtage. - [Bei Studenten wird der Convent angesagt.]
2) Gesammtheit der beratenden Mitglieder. Der (Adels) Convent besteht aus 12 Landräten, dem Landmarschall u. den Deputirten der Ritterschaft. 214. 64.
3) Ein mildes Stift. In Riga sind bekannt: der Convent zum heil. Geist, gewönlich heiliger Geist od. Stift genannt, 1557 erneuert zum Besten armer Bürgerwittwen; Nyenstädts Wittwen-C., 1594 gegründet für arme Frauen niedern Standes; Ecks od. Eckens C. für Wittwen ⅔ gr. u. ⅓ kl. Gilde, 1592 gestiftet: (Man findet unrichtig: die Inspection des Ecken Convents).
4) Ehemals Behausung der Mönche, Nonnen, Ordensbrüder: Kloster, Ordenshaus. Das Glossar zu Ditleb in 195 erklärt: Gesellschaft, Abtheilung von Ordensbrüdern, die Ordensbrüder einer Comturei; auch das Haus, worin sie wohnen. - Laut der Wolmarschen Absprache v. 1491 „sollen die Rigischen dem Orden wieder aufbauen einen Convent mit solcher Kirche als zuvor daselbst gestanden; einen Reventer u. 2 Thürme an dem Convente“ u.s.w.: das Plettenbergsche Ordensschloss. Im ehemaligen Riga hatten selbst die feilen Weiber ihren Convent. So heißt es 350. 24. 1.: die losen Weiber sollen anders nirgends wohnen innerhalb noch außerhalb der Stadt, denn in ihrem Convent in dem Erlenbruche (1502).

Gutzeit 1886, 205
Früher zuweilen in d. Bed. von Landtag. Den Convent ausblasen, v. Bock, in 370. II. 10. Aus d. J. 1711. -
[Der Studenten. Der Fuchs muß Convente anzeigen 465.53, sonst ansagen.]

Gutzeit 1892b, 12
Die Bedeutung dieses Wortes hat sich bei uns in einer auffallenden und irrigen Weise entwickelt. Während Convent in Deutschland, und ebenso in Riga ehemals, die Bedeutung von Kloster, franz. couvent, hat, wurde und wird es bei uns in gleichem Sinn mit dem früheren hospitale, miseria, Elend, franz. hospice, benutzt. Zuerst im Jahre 1297 wird ein Frauenconvent bei der Petrikirche Rigas erwänt; die Frauen dieses Convents waren die später genannten grauen Schwestern, woher der obige Convent auch später Kloster der grauen Schwestern heißt. Dies kann nicht auffallen, da Convent und Kloster dasselbe bezeichnen. Von diesem Convent oder Kloster der grauen Schwestern stammt die noch heute übliche Benennung: Convent zum heiligen Geist. Gleichzeitig mit der Benennung dieser Wohltätigkeitsanstalt wurden aber auch Eckens und Nyenstädts ähnliche Anstalten benannt: Eckens und Nyenstädts Vonvent und dieselbe Benennund auch für Campenhausens Elend benutzt. Indessen hat nur der Convent zum heiligen Geist Berechtigung zu dieser Benennung, weil er aus dem Kloster oder Convent der grauen Schwestern hervorgegangen ist; den seit der Reformation erfolgten Bestimmungen gemäß ist die Benennung Convent-Kloster für keine dieser Wohltätigkeitsanstalten geeignet und zu ersetzen durch Stift oder Stiftung; die Benennung Stift ist auch heute im Munde Aller die Bezeichnung für den ganzen Bezirk des h. Geistes, und hat auch keine Verwechselung mehr zu befürchten mit dem früheren „Stifte“ des Erzbischofs, wie bis gegen 1800 die Gegend des Herderplatzes hieß.
Im alten Riga hatten auch die „losen Weiber“ ihren „Convent“, in welchem sie wohnen sollten, vgl. Wörterschatz I. 171. Hier trifft Convent mit der gleichen Bedeutung des franz. convent zusammen.

dahinter Adv

QUELLEN

Gutzeit 1886, 207
Lange hat noch: da steckt etwas hinter, Stender schon, wie noch heute: da steckt etwas dahinter und da steckt ein Bubenstück dahinter - obgleich es gewöhnlich heißt: dahinter steckt ein Bubenstück.

Damm der
‣ Varianten: Thamm

QUELLEN

Gutzeit 1886, 207
Damm. Bei den Anwohnern d. ersten Weidendamms zu Riga hieß bis in die 40er Jahre dieses Jahrh. und noch heute ab und zu die Fahrstraße „der große Damm“ od. „Fahrdamm“, und der Gehweg nächst nächst den Besitzlichkeiten „der kleine Damm“ oder auch „Gehdamm“.

Gutzeit 1892a, 18
Thamm, der, Damm. Thämme machen, Mönche einlegen, 328. 23. J. 1688; in 328. 25. J. 1649: Themme machen, Menche einlegen; kommt man im Thamm schlagen auff ein Gesib, ebda 108. J. 1688 und 123. J. 1649.

id das Sparren hebenSparren
et sarikaid püsti ajama

QUELLEN (Informanten)

Weinert, Paul: Riga
Aufrichten
Heute wurden die Sparren gehoben. Die Sparren werden heute gehoben

Datsche die
‣ Belege: Kurland
'russisches Landhaus'

QUELLEN

Hoheisel 1860, 27
Höfchen = Landhaus, wofür auch schon häufig das russ. „Datsche“ gehört wird.

Gutzeit 1864, 534
(unter Stichwort Höfchen)
Der bei Petersburger Deutschen allein übliche russ. Ausdruck Datsche, welcher auch in Reval (vgl. Hoheisel, Eigentüml. 27) gebräuchlich, begegnet in Riga niemals.

Kiparsky 1936, 151
[datšə] f. 'Sommervilla' ‹ r. дáча id. - Hoheisel 27 erwähnt, dass das Wort „schon häufig gehört werde“, Sallmann N. 13 führt es ohne Kommentare an. Heute ist es in E.L.K. bekannt. Belegt z.B. RR. 22. V. 1931 (Inserat).

Kentmann 1978, 238
Sommerhaus

Kobolt 1990, 81
mit kurzem Vokal, f Sommerhaus im Blockhausstil, russisches Ferienhaus
russ. datscha Sommerhaus, Landhaus, Villa.


QUELLEN (Informanten)

'Sommerhaus (meistens hölzernes) an der See und auf dem Lande' (Kurland)


Sommerhaus. WL 6,36. In Kurland zwar bekannt, aber ansch. kaum gespr.


QUELLEN
Kerkovius, Martha: Riga
Sommerhaus am Strande (aus dem Russischen)

dawolno Adv
‣ Varianten: dawolna

QUELLEN

Hupel 1795a, 226
dawolna (russisch, eigentlich dowolno) sagen Einige st. genug, oder zur Genüge.

Kiparsky 1936, 151
dawolna [davólna] 'genug, zur Genüge' ‹ r. довóльно id. Hupel N. 226. Heute nur vulgär.

Kobolt 1990, 82
auf der zweiten Silbe betont, Adv. genug, meist als scherzhafter Zuruf
russ. dowolno (gespr. dawolno) genug.


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